Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit
Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Lebenswert

Y. und Z. beim Abschiedsabend mit Birke Kleinwächter

Mahnwache anlässlich eines Prozesses vor dem Amtsgericht Cochem am 22.1.20 wegen einer gewaltfreien Aktion am Atomwaffenstandort Büchel. Vom 26.3. - 9.8. finden wieder die "20 Wochen gegen 20 Bomben" statt.

von Dietrich Gerstner / Februar 2020

Was macht mein Leben so lebenswert bei Brot & Rosen? Unter anderem die Vielfalt des Erlebens: Die Lebensmittel vom Bioladen abzuholen wechselt sich ab mit einer Mahnwache vor der Ausländerbehörde, der Offene Abend zu einem spannenden Thema mit einem Gespräch am Küchentisch und dem Schreiben dieses Rundbriefartikels... Und das ist „Alltag“. Sicherlich braucht es eine gewisse Flexibilität von allen Beteiligten, da wir wenige Routinen haben, und das ist manchmal herausfordernd. Und doch hält es mich innerlich beweglich und hoffentlich auch ein bisschen jung. In diesem Sinne ein kurzer Bericht „aus unserem Haus“ (und darüber hinaus).

Oft werden wir gefragt, wie viele Menschen hier eigentlich leben. Und die Antwort fällt mir oft schwer, sind es gerade genau 20 oder etwas mehr oder weniger? Menschen leben hier für einige Wochen, andere für Jahre. Da gibt es bisweilen flotte Wechsel. Und dann noch all der Besuch, der manchmal auch schon fast „dazu“ gehört, da sie*er immer wieder kommt, wie z.B. die erwachsene Tochter unserer Mitbewohnerin Tischki.

Und immer noch erleben wir „Premieren“ – so Anfang des Jahres, als ein wahrhaftiger Bischof von den Philippinen für einige Wochen bei uns wohnte. Wieder mal eine neue Fahne auf unserer Weltkarte, die abbildet, woher die Menschen in den letzten 24 Jahren gekommen sind. Bischof Antonio Ablon gehört zur „Unabhängigen Philippinischen Kirche“, die mit den Anglikanischen und der Alt-Katholischen Kirche in Union ist, und ist aktuell Gast der „Hamburger Stiftung für Politisch Verfolgte“. Da sie ihm nicht unmittelbar eine Wohnung anbieten konnten, lebte er für einige Zeit mal hier und da und so auch bei uns. Bischof Ablon wird in seiner Heimat mit dem Tode bedroht, da er sich für die Rechte der Ureinwohner*innen auf der philippinischen Insel Mindanao und insgesamt für soziale Gerechtigkeit engagiert. Und so blieben Konflikte mit der Regierung und mit internationalen Konzernen, die an Rohstoffausbeutung interessiert sind, nicht aus. Als unwidersprochen Todesdrohungen an Haus-wänden standen, war es für ihn Zeit zu fliehen. Wir hoffen für Bischof Ablon und seine Familie, dass er irgendwann unter dem Schutz internationaler Aufmerksamkeit in sein Land zurückkehren kann, auch um seine wichtige Arbeit fortzusetzen.

Unsere lieben Mitbewohner*innen Y. + Z. aus Ägypten mussten Ende Januar nach Griechenland ausreisen, obwohl ihre Perspektive für sie dort ungewiss ist. Aber dieser Schritt war nötig, da die griechischen Aufenthaltspapiere ansonsten nach 25 Jahre Leben und Arbeit dort ihre Gültigkeit verloren hätten. Traurigerweise war es den beiden nicht gelungen, hier in Hamburg (außerhalb unseres Hauses) Fuß zu fassen, da die Ausländerbehörde konsequent jegliche Arbeitsaufnahme von Y. verbot, egal wie sehr die jeweiligen Firmen ihn gerne einstellen wollten. Und in Griechenland ist der Arbeitsmarkt mit der Finanzkrise von 2008 komplett eingebrochen, was auch dort am meisten die ausländischen Mitmenschen zu spüren bekommen.

Dafür freuen wir uns mit unserer Mitbewohnerin Shirley, dass sie Anfang Februar ihre Ausbildung zur Altenpflegerin in Hamburg beginnen konnte. Als politisch aktive Transfrau war sie in Honduras mehrfach bedroht und sogar angeschossen worden. Aufgrund vieler Beweise erhielt sie in Deutschland Asyl, durfte aber ihren Wohnort nicht frei wählen. Mit Hilfe der Menschenrechtsorganisation Peace Brigades International, bei der sie einen Freiwilligendienst abgeleistet hat, und von uns konnte sie sich schließlich nach Hamburg ummelden. Und so freuen wir uns umso mehr mit ihr, dass sie nun eine geregelte Ausbildung machen kann. Nach Blanche ist sie nun schon unsere zweite „Azubi“, eine noch junge Entwicklung in unserem Haus.

Denn üblicherweise haben wir es ja mit Menschen zu tun, die in ungesicherter Lebenssituation nach einem Bleiberecht suchen und für diese Zeit ein Dach über dem Kopf brauchen. So wie ganz neu der junge Afghane J., der trotz Krankheit von Schweden ins kriegerische Afghanistan abgeschoben werden soll.

Nicht mehr neu, aber auch noch nicht lange bei uns ist unser Freiwilliger, Johannes Varelmann. Er arbeitet sich akribisch ins Aufenthaltsrecht ein, um mit wachsenden Kenntnissen bei der Infostelle Café Exil neben der Ausländerbehörde mitzuarbeiten. Jeden Donnerstag verstärkt er unsere Mahnwache dort. Ansonsten überrascht er uns mit immer neuen kreativen Gerichten zum Abendessen und auch mittags. Das regelmäßige gemeinsame Mittagessen hatten wir als Gemeinschaft schon vor Jahren eingestellt. Mit Johannes erfährt es eine neue Belebung. Und was beim Essen „zufällig“ auf den Boden fällt, wird von seiner Hündin Lotta schnell weggeputzt. Überhaupt Lotta: Unser erstes Haustier in der Gemeinschaft, und trotz mancher Skepsis eine beliebte Mitbewohnerin bei allen. Selbst Menschen, die Angst vor Hunden hatten, lassen sich schnell von ihrem liebenswürdigen Temperament umgarnen.

Auch dieses Jahr werden wir uns wieder vielfältig an Aktio-nen gegen Rüstung und für Frieden, für das Klima und Solidarität mit Geflüchteten beteiligen: Birke bereitet wieder die Sommeraktion der „Lebenslaute“ im August, dieses Mal in Unterlüß / Südheide. mit vor. Diese richtet sich gegen den dortigen Standort des Rüstungskonzerns Rheinmetall. Schon vorher im Juli wollen Uta und ich wieder nach Büchel, um gemeinsam mit internationalen Catholic Worker-Freund*innen gegen die dortigen Atomwaffen zu protestieren. Und am 7./8. Mai musiziert die Lebenslaute gewaltfrei aber ungehorsam gegen das bedrohliche „Defender2020“-Manöver der NATO an einem Hafenstützpunkt in Rostock. Ich bin froh, dass wir es gegenseitig ermöglichen, uns auch an solchen politischen Aktionen „außer Haus“ zu beteiligen.

Ja, genau diese Vielfalt der Erfahrungen liebe ich und das macht mir das Leben bei Brot & Rosen auch nach 24 Jahren immer noch lebenswert.



Mittragen

Unsere Gastfreundschaft für obdachlose Flücht­linge wird erst mög­lich durch Spenden und ehren­amtliche Mitarbeit
weiter...

Mitfeiern

Hausgottesdienste, Offene Abende und immer wieder mal ein Fest: Herzlich will­kommen bei uns im Haus der Gast­freund­schaft
weiter...

Mitbekommen

Möchten Sie regel­mäßig von uns hören und mit­bekommen, was pas­siert? Abonnieren Sie am besten unseren kosten­losen Rundbrief
weiter...

Mitleben

Immer wieder fragen uns interessierte Menschen, ob und wann sie uns be­suchen kommen können. Wir freuen uns sehr über dieses Inter­esse.
weiter...