Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit
Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
"Zuhause ist dort, wo Menschen mich in ihr Leben lassen"

von Indho Mohamud Abyan und Ulrike Plautz / Juli u. September 2015

Indho (26) war vor neun Jahren aus Somalia geflohen. Seit er bei Brot & Rosen ausgezogen ist, lebt er in einer Kirchengemeinde in Hamburg. Seine Situation hatte er vor einem Jahr in einem Interview eindrucksvoll geschildert (Rundbrief Nr. 73  / brot-und-rosen.de/detail.details+M5d3b5aa54d3.0.html). Dann ist alles ganz anders gekommen. Ein Gesprächsprotokoll von Ulrike Plautz, das erstmals in der Juni-August Ausgabe der Zeitschrift „weltbewegt“ erschienen ist.

Hier in Hamburg habe ich zum ersten Mal das Gefühl, richtig angekommen zu sein. Vorher hatte ich vor allem mit Menschen zu tun, die in einer Behörde sitzen. Ich weiß noch genau, wie ich mich vor einem Jahr gefühlt hatte. Am Tag, als ich das Interview für weltbewegt gegeben hatte. Zuvor hatte ich erfahren, dass ich wieder nach Ungarn zurück müsse. Dabei hatte ich gerade einen Praktikumsplatz in einem Altenheim gefunden. Der Vertrag war schon unterschrieben. Dann das. Ich kannte das schon. Aber es ist jedes Mal ein neuer Schock. Acht Jahre hatten sie mich von einem Land ins andere abgeschoben. Zwischendurch auch immer wieder zurück nach Ungarn, in das Land, das ich nach meiner Flucht aus Somalia zuerst betreten hatte. Ich war drauf und dran, die Hoffnung ganz zu verlieren. War erschöpft von der dauernden Unsicherheit im Nacken. Und unzufrieden. Ich bin schon über zwanzig und will etwas machen aus meinem Leben. Aber so? Wie soll das gehen?

Inzwischen geht es mir wirklich gut. Gerade komme ich aus der Volkshochschule. Ich will einen Hauptschulabschluss machen. Ansonsten helfe ich seit zwei Monaten bei einer Tischlerei im Hamburger Schanzenviertel aus. Die praktische Arbeit mit Holz gefällt mir. Diese Tätigkeit hatte mir meine Gastmutter organisiert, bei der ich seit Herbst letzten Jahres wohne. Dort fühle ich mich sehr wohl. Auch weil ich nun richtig dazugehöre. Deshalb kann ich auch ganz anders auf andere Menschen zugehen. Sicher hat es auch etwas geholfen, dass ich in den Jahren zuvor lernen musste, mich auf verschiedene Kulturen einzulassen. Ich musste einfach schnell erfassen, wie das Land tickt, in das ich gerade kam und musste in kurzer Zeit wenigstens so viel von der jeweiligen Sprache lernen, dass ich mich im Alltag zurechtfinden konnte.

In Hamburg habe ich inzwischen richtig gute Freunde gefunden. Manchmal machen wir kleine Ausflüge an die Alster. Einmal ging es sogar ans Meer. Zum ersten Mal seit meiner Flucht aus Somalia war ich wieder am Strand. Natürlich habe ich Heimweh. Vor allem würde ich meine Mutter gern einmal wiedersehen. Neun Jahre war ich nicht mehr dort. Ob ich einmal ganz zurückgehe? Ich weiß es noch nicht. Inzwischen habe ich mich sehr an diese Kultur gewöhnt und fühle mich hier Zuhause. Mit allem, was manchmal auch fremd ist. Meine Freunde haben mir zum Beispiel beigebracht, was Geburtstag bedeutet. Diesen Tag hatte ich bisher noch nie gefeiert. An meinem Geburtstag also hatte mich ein Freund zu sich eingeladen. Wir saßen zu zweit in der Küche. Bis ich plötzlich ein Rascheln und dann ein Kichern hörte. Freunde hatten sich im Flur und auf der Toilette versteckt und kamen nun aus allen Ecken, um mir zu gratulieren. So etwas hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt.

Vor einigen Wochen haben nun meine Freunde und deren Familien sogar beschlossen, meiner Mutter in Somalia monatlich 50 Euro zu überweisen. Das ist einfach unglaublich. Ich kenne mittlerweile wirklich viele nette Menschen und wurde sehr unterstützt. Vor allem durch kirchliche Einrichtungen, die sich für Flüchtlinge wie mich einsetzen.

In der Familie meiner Gasteltern bin ich inzwischen fast so etwas wie der große Bruder. Manchmal koche ich für alle. Die Fladenbrote sind am beliebtesten. Vor kurzem hatten meine Gastmutter und meine Mutter in Somalia miteinander telefoniert. „Ich freue mich so sehr, dass Sie sich so um meinen Sohn kümmern“, hatte meine Mutter am Telefon erklärt. Gleichzeitig sagte meine Gastmutter: „Ich freue mich sehr, Ihren Sohn hier zu haben.“ Ich saß dazwischen und musste übersetzen. Beide hatten auf ihre Weise das gleiche gesagt. Ich hatte plötzlich das Gefühl, an zwei Orten gleichzeitig zu Hause zu sein.

P.S.: Anmerkung der Redaktion:

Die Odyssee von Indho Mohamud Abyan ist noch nicht zu Ende. Vor wenigen Tagen erhielt er die Ablehnung seines Gesuchs um ein Bleiberecht durch die Härtefallkommission Niedersachsen. Der Tenor der Entscheidung: Indho sei zwar nachweislich bestens integriert, aber sie seien nicht zuständig. Er solle sich für ein Bleiberecht in Deutschland an die Bundesbehörden wenden. Und das angesichts der allseits berüchtigten Umstände in Ungarn, wo Indho zwar vor Jahren als Flüchtling offiziell anerkannt worden war, aber keine Lebensmöglichkeit für sich sah! Er landete in Budapest obdachlos auf der Straße und kann NICHT dorthin zurück-kehren! Falls wir Ihre bzw. Eure Unterstützung für eine Bleiberechtskampagne für unseren ehemaligen Mitbewohner Indho benötigen, melden wir uns hier und im Internet (www.brot-und-rosen.de).

ZUHAUSE

Familie ist mehr als eine Blutsverbindung.
Familie, das sind alle Menschen in deinem Leben,
die dich in ihr Leben lassen.

Das sind die, die dich so respektieren, wie du bist.
Es sind die Menschen, die dich dafür lieben,
wie du bist.

Es sind diejenigen, die alles dafür tun,
um dich lächeln zu sehen.

Es sind die, die dich lieben
ohne dass du dafür etwas tun musst.

Indho Mohamud Abyan



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