Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
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Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Trauer, Dank und Protest

Heiko Habbe

Wir fordern von unserem Bürgermeister und dem Senat, „Hamburg zum Sicheren Hafen“ zu erklären und, nach dem Vorbild anderer Städte, aktiv die Aufnahme von Geflüchteten aus dem Mittelmeer anzubieten!

Niemand setzt seine Kinder in ein Boot, es sei denn das Wasser ist sicherer als das Land

von Heiko Habbe / September 2018

Seit Juli finden deutschlandweit unter dem Motto „Seebrücke“ solidarische Demonstrationen gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung im Mittelmeer und für Flüchtlingsrechte statt. So auch in Hamburg, wo unser Freund Heiko Habbe, Rechtsanwalt und Mitarbeiter bei der kirchlichen Beratungsstelle Fluchtpunkt, folgende Worte am 13.7. und 2.9. sprach. Wir drucken sie gekürzt ab.

Wie eng wir heute auch stehen: Wir stehen immer auf Lücke. Und zwischen uns, da steht die Trauer, steht der Schmerz. Die Trauer um die, die im Mittelmeer ertrunken und in der Wüste geblieben sind, der Schmerz um die, die in libyschen Folterlagern stecken. Wir trauern um mindestens 1.500 Menschen, die allein in diesem Jahr im Mittelmeer gestorben sind. Um die mehr als 3.000 Toten des vergangenen Jahres. Und um die mindestens 40.000 Toten der Jahre zuvor. Auf rund 40.000 werden die Todesopfer im Mittelmeer seit dem Jahr 2000 geschätzt, und manche sagen, es sind noch viel mehr. Von den meisten von ihnen kennen wir nicht einmal die Namen. Aber wir erinnern uns an Aylan Kurdi, der am 2. September 2015 vor Bodrum starb, drei Jahre alt. Wir erinnern uns an Freshta, 25 Jahre alt, die am 16. März diesen Jahres ihr Leben verlor, und mit ihr zwei ganze Familien aus Afghanistan und dem Irak, darunter ein vier Monate altes Mädchen, weil eine Rettungsaktion 24 Stunden zu spät eingeleitet wurde. Wir erinnern uns an Samia Yusuf Omar, die 2008 für Somalia bei den Olympischen Spielen antrat und vier Jahre danach ertrank, 21 Jahre alt. Wir trauern um 40.000 Menschen, die gestorben sind, auch deshalb, weil Europa sich abzuschotten versucht gegen die Krisen, die Kriege und das Elend dieser Welt. Und wir sagen: Ihr seid nicht vergessen.

Wir sind aber auch hier, um zu danken. Wir danken denen, die mit großem persönlichem Einsatz dafür kämpfen, dass weniger Menschen im Meer sterben müssen. Wir danken Sea Watch, Lifeline, SOS Mediterranée, Sea Eye, Ärzte ohne Grenzen, Jugend rettet und allen Organisationen, die sich hier einsetzen. Wir danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ihre Zeit, ihre Kraft, ihre finanziellen Mittel einsetzen. Die sich in Gefahr begeben, um andere aus der Gefahr zu holen. Die manchmal helfen können und manchmal nur noch Tote bergen, die manchmal furchtbare Bilder sehen müssen. Und die obendrein nun zunehmend in der Öffentlichkeit angefeindet und kriminalisiert werden. … Und gerade jetzt, wo die Rettungsschiffe an der Kette liegen und das Suchflugzeug am Boden bleiben muss, danken wir auch denen, die mit ihren Spenden, mit ihrem persönlichen und juristischen Einsatz dafür kämpfen, dass Lebensrettung wieder möglich wird.

Und wir sind hier, um unser Entsetzen und unseren Protest hörbar zu machen. Denn es ist ein wachsendes Entsetzen, mit dem wir erleben, in welche Richtung die öffentliche Diskussion in unserem Land geht.
Es sind nicht mehr nur die RechtspopulistInnen der AfD, die eine Abschottung Deutschlands und Europas gegen Flüchtlinge fordern. Die eine entstellende Rhetorik pflegen, in der aus schutzsuchenden Menschen eine Naturkatastrophe wird: ein „unkontrollierter Strom“. Die jeden Flüchtling und jeden Muslim zu einem „Sicherheitsrisiko“ erklären wollen.
Nein, es sind PolitikerInnen von Parteien, die ein „christlich“ im Namen führen, aus der sogenannten Mitte, die die Flucht vor Krieg und Verfolgung lächerlich machen wollen als „Asyltourismus“. Asyltourismus, damit ist die NPD schon vor Jahren in den Wahlkampf gezogen. Es sind Politiker der Mitte, die eine zunehmend verrohende Sprache benutzen. Die von einer „Anti-Abschiebe-Industrie“ daherreden, wenn sie Anwältinnen, Beraterinnen und Unterstützerinnen meinen. Die den „Rechtsstaat“ nur noch da erwähnen, wo es um Härte, um ‚law and order’, geht. Die aber vergessen und verächtlich machen, dass Rechtsstaat da ist, wo die Schwachen geschützt werden. Und wo eine Asylablehnung und eine Abschiebung vor Gericht geprüft werden können.

Und das ist bitter nötig. Das zeigt die Zahl 31.000. 31.000 Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden allein im vergangenen Jahr von Gerichten aufgehoben. Das ist nebenbei der eigentliche BAMF-Skandal. ...

Es sind aber nicht mehr nur die Politiker, die auf den rechten Rand schielen. Die Unworte und die Ungedanken der Neuen Rechten, sie haben längst weit in die Gesellschaft hineingefunden. Wenn eine bürgerliche Wochenzeitung ernsthaft die Seenotrettung in Frage stellen kann, wenn sie unter der Überschrift „Oder soll man es lassen?“ so tut, als könne man die Rettung von Menschenleben und das kaltblütige Sterbenlassen abhandeln auf einer Ebene, als Pro und Contra, dann ist etwas ins Rutschen gekommen. Dann sind wir der Barbarei gefährlich nahe gekommen. Und hier müssen wir aufstehen und sagen: Nein! …

Und nun müssen wir auch mal Namen nennen, wer dabei im Weg steht. Denn der Fisch stinkt vom Kopfe her. Es ist einer in unserem Land, der schon seit 2015 von der „Herrschaft des Unrechts“ daherredet – und der sie jetzt selbst errichten will. Der sich menschenverachtende Scherze erlaubt über Menschen, die nach Afghanistan abgeschoben werden. Der die Anlandung von Geretteten aus dem Mittelmeer nur erlauben will, wenn ihr Schiff nicht wieder ausläuft, obwohl das Völkerrecht die Rettung von Schiffbrüchigen und auch Seenotrettungsmissionen ausdrücklich vorschreibt. ... Er bekleidet das Amt des Verfassungsministers – und wird mehr und mehr zu einem Minister des Unrechts. Wir meinen: Heimathorst – Rücktritt jetzt. Es ist Zeit, dass die Debatte in Deutschland umsteuert.

Es ist Zeit, dass wir deutlich machen, dass wir weiter für eine humane und weltoffene Gesellschaft eintreten. Es ist Zeit, dass wir deutlich machen, dass auch unsere Stimmen bei Wahlen zählen. Damit die PolitikerInnen aufhören, immer und immer wieder den rechten Rand zu bedienen. Denn das Problem in dieser Gesellschaft hat einen Namen. Es heißt nicht Flucht, es heißt nicht Migration. Es heißt Rassismus. Und dem Vordringen von Rassismus und Menschenfeindlichkeit müssen wir entgegentreten: Stop Racism!

Es ist Zeit, dass die Stimme derer gehört wird, die sich um andere sorgen. Melden wir uns also in der aktuellen Debatte zu Wort. Und geben wir den vielen Millionen in Deutschland eine Stimme, die durch ihr haupt- und ehrenamtliches Engagement in der Flüchtlingsarbeit seit dem Sommer 2015 dazu beigetragen haben, dass die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen in Deutschland gelingen konnte. Denn: #wir sind mehr!



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