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Atomwirtschaft - tödliche Geschäfte

von Johannes Majoros-Steinmetz / März 2001

Seit diesem Monat (März 2001) beziehen wir unseren Strom nicht mehr von den HEW, sondern von der Naturstrom AG. Damit haben wir einen weiteren Schritt gemacht in Richtung Bewahrung der Schöpfung. Wir demonstrieren gegen das Endlager in Gorleben und wir versuchen, in unserem Haushalt bewusst mit Energie umzugehen.

In Deutschland gibt es neunzehn Atomkraftwerke, die allesamt von Siemens gebaut wurden. Die Hauptbetreiber sind e-on (= Preußen-Elektra, VEBA, Bayernwerk, VIAG), RWE/VEW, Energie Baden-Württemberg und die HEW.

Geschäfte werden in der Atomwirtschaft nicht nur mit der Energieerzeugung gemacht. Siemens ist auch im AKW-Export engagiert: in die Ukraine, Russland, Slowakei, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Slowenien, Schweiz, Niederlande, Spanien, Brasilien, Argentinien, Südafrika und China.

Ein wichtiges Geschäft ist die Wiederaufarbeitung von Brennstäben. Dabei fällt Plutonium in großen Mengen an. Vor allem in den Anlagen von Sellafield, Großbritannien, und La Hague, Frankreich, wird heute in Europa in großem Stil diese gefährliche Technik betrieben. Inzwischen gibt es auch erste Verträge mit russischen Wiederaufbereitungsanlagen. Die radioaktiven Abwässer aus La Hague gelangen über den Golfstrom durch den Ärmelkanal in die Nordsee und die deutsche Bucht. Die Umgebung von Sellafield ist heute vergleichbar stark radioaktiv verseucht wie die Region um den Katastrophen-Reaktor von Tschernobyl.

Seit der Liberalisierung des Strommarktes in Deutschland versuchen die Atomkonzerne mit Dumpingpreisen Konkurrenten vom Markt zu drängen. Deutsche Stromkonzerne, allen voran e-on, kaufen den billigen Risikostrom aus Russland und Tschechien und halten dadurch die gefährlichen Atomanlagen am Laufen. Wegen des Niedergangs der heimischen Wirtschaft und dem Rückgang der Stromexporte in die Ex-Ostblockländer stehen in Russland viele AKWs still und der schmutzige Strom wird dem Westen billig angeboten. Der Billigstrom von ElektraDirekt stammt aus dem AKW Unterweser, in dem e-on monatelang wissentlich Brennstäbe mit gefälschten Sicherheitspapieren aus der britischen WAA in Sellafield eingesetzt hatte, sowie aus Brokdorf. Dort will der Atomkonzern Brennstäbe verwenden, die in russischen Atomanlagen aus Waffenuran produziert werden. Die Energie Baden-Württemberg verkauft unter dem Label Yello billigen französischen Atomstrom.

Eine ganz andere Art von Geschäft machen die Atomkonzerne mit den sogenannten Entsorgungsrückstellungen. Die Atomkraftwerksbetreiber waren in der Vergangenheit gesetzlich dazu verpflichtet, für die spätere Entsorgung der radioaktiv verseuchten Atomanlagen Gelder zurückzulegen, bis heute ca. 70 Milliarden DM. Dieses Geld, das die Verbraucher über den Strompreis bezahlt haben, bescherte den Atomkonzernen bislang Steuervorteile in Milliardenhöhe. Mit diesem Geld kauften sich die Atomkonzerne in großem Stil in den Müllverbrennungs- und Telekommunikationsmarkt ein. Zu e-on gehören nicht nur Viag Interkom und e-plus (o-tel-o wurde inzwischen an Mannesmann/ Vodafone verkauft), e-on und die HEW kontrollieren inzwischen den norddeutschen Müllverbrennungsmarkt. Die üppigen Zinseinnahmen scheinen das Hauptmotiv zu sein, einen ansonsten defizitären Reaktor wieter zu betreiben. Nach Berechnungen des Wuppertaler Instituts wären zehn der 19 deutschen Atomkraftwerke ohne das lukrative Nebengeschäft mit den Rückstellungen unwirtschaftlich. Außerdem gibt es keine Garantie dafür, dass die "zurückgestellten" Gelder überhaupt noch da sind, wenn sie eines Tages zur Entsorgung der abgeschalteten Reaktoren gebraucht werden. Innerhalb des sogenannten Steuerentlastungsgesetzes plant nun die Bundesregierung, einen Großteil der bisher gebildeten Entsorgungsrückstellungen auflösen zu lassen. Die Gelder sollen zwischen dem Staat und der Energiewirtschaft aufgeteilt.

 

Ökostrom - für das Leben

Die Hamburger Electricitäts-Werke (HEW) bedrohen mit ihren vier Atomkraftwerken ganz konkret unser Leben in Hamburg und den norddeutschen Raum. Bereits 1992 hatte sich das Darmstädter Öko-Institut im Auftrag der Umweltbehörde Hamburg mit den Folgen eines schweren Unfalls im AKW Krümmel für die Hansestadt beschäftigt: Bei ungünstigen Windverhältnissen würde die Strahlung ausreichen, um bei 45.000 bis 106.000 Hamburgern eine unheilbare Krebserkrankung auszulösen. Kurz nach der Katastrophe müssten mehr als eine Million Menschen evakuiert werden. Mehr als die Hälfte des Hamburger Stadtgebietes bliebe für mehr als 50 Jahre unbewohnbar.

Seit kurzem bezieht Brot & Rosen den Strom nicht mehr von den HEW, sondern von der Naturstrom AG. Für den Ökostrom zahlen wir in Zukunft ca. 750 DM im Jahr mehr als bisher. Das ist uns die Abkehr vom Atomstrom und die Förderung der Nutzung erneuerbarer Energiequellen (Wasser, Wind, Biomasse, Sonne) wert.

Inzwischen gibt es viele Anbieter von Ökostrom und wir haben uns die Wahl nicht leicht gemacht. Unter anderem bieten inzwischen auch die Atomkonzerne "Ökostrom" aus fragwürdigen Quellen an ("mein e-on ist aus Wasser"). Die HEW fragte uns nach der Vertragskündigung prompt, ob wir nicht in Zukunft ihren hauseigenen "Ökostrom" ("newpower") beziehen wollten (den sie zusammen mit dem Shell-Konzern anbieten, der in Nigeria für Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist).

Hilfreich waren für uns Aufstellungen über verschiedene Ökostrom-Anbieter in der taz-Ökostromkampagne sowie der "Wegweiser durch den Ökostromdschungel" auf der Internetseite des WDRs. Ein Kriterium ist neben der Herkunft des Stroms auch der Anteil an neu gebauten Anlagen. Wir haben uns schließlich für de Naturstrom AG entschieden. Die Entscheidung hätte aber auch guten Gewissens für einen der anderen glaubwürdigen Anbieter, wie Greenpeace oder die Elektrizitätswerke Schönau ausfallen können.

Wichtiger aber als die Verwendung von Ökostrom ist natürlich das Energiesparen. Obwohl wir schon viele Möglichkeiten dazu genutzt haben, ist dies - auch in unserem Haus - weiterhin aktuell. Die Stichworte heißen Licht, Stand-By, Elektrohaushaltsgeräte, Computer ...

 

Der Castor kommt - wir stellen uns quer

Der von der rot-grünen Bundesregierung vereinbarte "Energiekonsens" hat diesen Namen nicht verdient: Kein gesellschaftlicher Konsens wurde gefunden, sondern ein Deal mit der Industrie geschlossen - auf Kosten künftiger Generationen. Die Regellaufzeit eines AKWs wurde auf 32 Jahre festgelegt, die für jedes AKW berechnete Reststromerzeugungsmenge kann von einem AKW auf ein anderes verschoben werden. Dafür sind erschwerende Auflagen entfallen, und die Regierung hat sich verpflichtet, sich mit Kritik an der Atomwirtschaft zurückzuhalten.

In der deutschen Atomwirtschaft besteht neben dem allgemeinen (ca. 13.000m3 Atommüll in Deutschland jährlich) ein akutes Problem in der Entsorgung der verbrauchten Kernbrennstäbe. So weigert sich die Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague in Zukunft verbrauchte Brennstäbe entgegenzunehmen, so lange Deutschland nicht bereit ist, das aufbereitete Spaltmaterial wieder zurückzunehmen. Es fehlt aber ein sicheres Endlager für Atommüll, und so wird der bundesdeutsche Atommüll in die Langzeitzwischenlager Ahaus und Gorleben verbracht.

Die für den Transport benutzten Castor-Behälter stellen eine große Gefahr für alle am Transport Beteiligten und die Bevölkerung dar. Neben der direkten radioaktiven Strahlung durch die Kontamination der Castor-Außenflächen stellen die Behälter eine Gefahr dar, wenn ihr Inhalt durch ein Verkehrsunglück, eine Gasexplosion oder einen Flugzeugabsturz o.ä. freigesetzt wird.

Nach dem Willen von Bundesregierung und Energiewirtschaft sollen (während des Erscheinens dieses Rundbriefes) Castor-Transporte aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague nach Ahaus und Gorleben rollen. Wahrscheinlicher Transporttermin für Gorleben ist der 27. bis 29. März (weitere Informationen gibt es über unsere Webseite www.brot-und-rosen.de). Der geplante Transport von deutschem Atommüll aus Frankreich nach Gorleben ist die Voraussetzung für eine ganze Kette neuer Lieferungen aus den deutschen Atomkraftwerken in die Wiederaufarbeitungsanlagen nach Frankreich und Großbritannien. Leidtragende sind die Menschen, die im Umfeld der Atomfabriken in La Hague und Sellafield leben. Sie werden durch deren radioaktive Ableitungen nachhaltig geschädigt. Glückt der Atommülltransport nach Gorleben, plant e-on noch in diesem Jahr, die Transporte von abgebrannten Brennelementen aus dem Atomkraftwerk Stade zur Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague wieder aufzunehmen.

Um diese Transporte zu verhindern, wollen wir von Brot & Rosen gemeinsam mit unseren MitchristInnen aus der Basisgemeinde Wulfshagenerhütten und vielen anderen die todbringenden Castoren blockieren. Als wir gegen die letzten Castortransporte demonstriert haben, war der spätere Bundesumweltminister Jürgen Trittin noch in unserer Nähe dabei. Jetzt, nachdem er den faulen Kompromiss mit den Atomkonzernen ausgehandelt hat, will er uns und alle DemonstrantInnen davon abhalten, gegen diese Todestransporte auf die Straße zu gehen. Das muss er mit sich und seinem Gewissen aushandeln. Wir haben keine "nationale Verantwortung", wir haben nur Verantwortung für das Leben. Wir stellen uns quer!

 

Wussten Sie, dass ...

  • Dänemark, Polen, Österreich und Luxemburg auf Atomkraftwerke vollständig verzichten?
  • der bundesdeutsche Staat bis heute 30 Milliarden Mark in die Atomforschung investierte?
  • Windenergie mehr CO2-Emmissionen einspart als Atomenergie?
  • der letzte Castortransport 111 Mio. DM kostete?
  • 100 g Plutonium-239 dazu ausreichen, um die Erdbevölkerung zu töten?
  • in Deutschland noch 15 außer Betrieb genommene komplette Atomreaktoren darauf warten, entsorgt zu werden?
  • in der Windwirtschaft bei 1% der Energieerzeugung 10.000 Menschen beschäftigt sind, in der Atomwirtschaft bei 30% der Energieerzeugung nur 40.000?


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