Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit
Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Flüchtlingssolidarität oder Bekämpfung der Fluchtursachen?

von Dietrich Gerstner / März 2014

Gelegentlich bekommen wir Rückmeldungen auf unseren Rundbrief. Darüber freuen wir uns, denn wir wollen natürlich mit unseren Texten Wirkungen erzeugen – und Rückmeldungen sind ein Zeichen, dass der Rundbrief gelesen wird und anregt oder aufregt oder was auch immer. Ende November erreichte uns per Email folgende kritische Zuschrift eines Rundbrieflesers, auf die ich (Dietrich Gerstner) umgehend reagierte, da ich die Anfragen nicht unbeantwortet lassen wollte.

Hallo Basisgemeinde,
ich möchte euren Rundbrief nicht mehr bekommen. Ich sag euch auch warum:
Anstatt gegen die Zustände in den Heimatländern der Flüchtlinge, wo Mord, Völkermord, Ausraubung der Staatskassen, Vernachlässigung der Bevölkerung, Zerstörung der Umwelt etc. an der Tagesordnung sind, heftigst zu protestieren, kommt immer dieselbe Leier: Der Westen hat Kampfdrohnen, die USA haben Guantanamo, die Flüchtlinge werden nicht vernünftig untergebracht.
Es ist an der Zeit, das Übel an der Wurzel zu packen, und Regierungen, die solche Verbrechen an ihrer Bevölkerung begehen, Ultimaten zu stellen und bei Nichteinhaltung eben diese Kampfdrohen dorthin zu schicken und aufzuräumen. Es kann nicht sein, dass wir die Opfer von Massenmördern und Plünderern laufend aufnehmen und die Schuldigen so weitermachen lassen. Da ich nicht glaube, dass ihr für mich diesbezüglich die richtigen Partner seid, bitte keine Rundbriefe mehr.
Gruß, Rainer L.

Antwort von Dietrich Gerstner:

„Hallo Rainer L.,
danke für Ihre Rückmeldung und auch die klare Ansage.

Wir wollen natürlich nicht, dass Sie sich dauernd ärgern müssen, wenn Sie unseren Rundbrief erhalten.

Sicherlich haben Sie Recht, dass in den Herkunftsregionen der Flüchtlinge vieles an den üblen Ursachen verändert werden sollte.

Aber an WEN appellieren Sie damit? Wir können auf alle Fälle damit anfangen, indem WIR unsere eigenen Beiträge zu den Fluchtursachen mindern:

• Rüstungsexporte stoppen (v.a. Kleinwaffen in Krisengebiete, an Diktaturen usw.),

• Entwicklungshilfe, wenn überhaupt, dann nicht primär zugunsten deutscher Industrieunternehmen, wie es bei Großprojekten die Regel ist (z.B. Bau von Staudämmen),

• die Länder des Südens nicht mit unserem Elektro-, Gift-, oder sonstigen Müll überschwemmen, wodurch Menschen krank werden,

• keine subventionierten landwirtschaftlichen Produkte oder ausgemusterte Alt-Kleidung aus der Europäischen Union (EU) nach Afrika schicken und damit dort die lokalen Märkte kaputt machen (siehe zum Beispiel die Kampagne von Brot für die Welt "Keine Chicken schicken"),

• das Leerfischen der Meere vor den afrikanischen Küsten und anderswo durch die EU-Fangflotten unterbinden, selbst wenn es vertraglich so mit den dortigen Regierungen geregelt sein sollte, denn es schadet dennoch der lokalen Bevölkerung,

• Einfuhrzölle für Produkte von außerhalb der EU, speziell für Länder des Globalen Südens, reduzieren und damit wirtschaftliche Beziehungen auf Augenhöhe zulassen,

• keine Geschäfte mit korrupten Regimes machen auch wenn sie auf wertvollen Rohstoffen sitzen – also auch keinen Vorteil schlagen aus einem zerfallenen Staat wie der Demokratischen Republik Kongo, wo die Rohstoffe für fast jedes ‚Smartphone’ oder Laptop herkommen,

• faire Zuwanderungschancen für Menschen aus Ländern des Südens inklusive Weiterqualifizierung und rotierender Migration, also der Möglichkeit zu gehen und wieder zu kommen, usw. usf.

Ach ja, und ich habe es fast vergessen: Unseren Lebensstil in Richtung "einfacher, ökologischer, regionaler, fairer" umstellen – im Sinne von Dorothy Day "Live simply so that others may simply live" (Lebe einfach, damit andere einfach über-/leben können).

Es gäbe also vieles zu tun, womit wir HIER anfangen können. Sind SIE dabei?

Denn sonst läuft Ihre Kritik doch wieder nur ins Leere! Ich höre die Argumente über die Fluchtursachen u.ä. leider zu häufig, ohne dass es eine reale Bedeutung hätte – denn meist ist es die Entschuldigung dafür, nichts zu tun.

Und gleichzeitig saufen die Leute im Mittelmeer weiterhin ab, wenn ich das mal so drastisch sagen darf, werden in Europa Menschen ohne Papiere ausgebeutet zugunsten von billigen Hähnchen und Pommes in deutschen Restaurants und profitieren wir weiter munter von den Ungerechtigkeiten in unserer Welt-un-ordnung.

So weit mal auf die Schnelle. Ihnen alles Gute und eine gesegnete, vielleicht auch besinnliche Adventszeit.

Jesus ist nahe – uns und besonders denen, die in Not sind, denn ER weiß was Not ist, musste Jesus doch schon als Baby mit seinen Eltern nach Ägypten fliehen.

Schalom & Salaam, Dietrich Gerstner



Mittragen

Unsere Gastfreundschaft für obdachlose Flücht­linge wird erst mög­lich durch Spenden und ehren­amtliche Mitarbeit
weiter...

Mitfeiern

Hausgottesdienste, Offene Abende und immer wieder mal ein Fest: Herzlich will­kommen bei uns im Haus der Gast­freund­schaft
weiter...

Mitbekommen

Möchten Sie regel­mäßig von uns hören und mit­bekommen, was pas­siert? Abonnieren Sie am besten unseren kosten­losen Rundbrief
weiter...

Mitleben

Immer wieder fragen uns interessierte Menschen, ob und wann sie uns be­suchen kommen können. Wir freuen uns sehr über dieses Inter­esse.
weiter...