Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
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Leben in Gemeinschaft
Wie kommt's, dass ihr so fröhlich seid?

Dorothy Day’s Geburtstag am 8.11. begingen wir wieder mit einer kleinen Aktion – dieses Mal verteilten wir Kekse, Obst, Tee und Kaffee vor der Erstaufnahmestelle der Ausländerbehörde und kamen gut ins Gespräch mit den Flüchtlingen

von Birke Kleinwächter / Dezember 2013

„Sit on the floor“ (auf dem Fußboden sitzen) – Spaßvogel Bashir, der vor zwei Jahren bei uns lebte, ist zurück und bringt die Anwesenden zum Grinsen. Er hat für seine „Familie“ gekocht. Bei Brot & Rosen entscheiden die KöchInnen, ob die gemeinsame Abendmahlzeit mit einem Lied, Gebet oder Schweigen beginnt. Auf die Frage, was er sich wünscht, kam diese humorvolle Antwort.

Das ist eines der erstaunlichsten Erlebnisse für mich bei Brot & Rosen, wie gut gelaunt und humorvoll viele unserer MitbewohnerInnen sind. Wir haben viel zu lachen.

Dann stelle ich mir vor, ich würde in einem fremden Land leben, dorthin geraten auf der gefährlichen Flucht aus einem kriegerischen oder armen Land. Und ständig würde man mir zu verstehen geben: Dich wollen wir hier nicht haben. Würde mir nicht total schnell das Lachen vergehen? Wie schnell wäre ich entnervt, erschöpft? Wie viel Freundlichkeit würde ich mir noch abringen können? Aber einen Mangel an Freundlichkeit brauchen wir in unserem Haus, Gott sei Dank, nicht zu beklagen.

Am 8. November, dem Geburtstag der Mitbegründerin der Catholic Worker-Bewegung Dorothy Day (1897-1980), fuhren wir zu neunt zur Hamburger Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge und teilten Geburtstagskaffee und -tee, Kekse und Obst aus. Wir erlebten dankbare Menschen, die sich vor allem über die Mandarinen freuten, und führten viele Gespräche. Die Einrichtung ist mit ca. 600 Menschen ü-bervoll, trotzdem war ich überrascht über die gelassene und freundliche Atmosphäre bei den BewohnerInnen, aber auch beim Wachpersonal. Uns war diese Aktion vor der „Sportallee“ (das ist das bekanntere Synonym für die Erstaufnahmestelle) wichtig. Viele, viele HamburgerInnen solidarisieren sich gerade in beeindruckender Weise mit der Gruppe der Lampedusa-Flüchtlinge. Aber dass es darüber hinaus natürlich noch viele andere Flüchtlinge in Hamburg gibt, die sich über Solidarität freuen, ist nicht im Fokus. Wir erleben auch bei wohlmeinenden Menschen, dass man schnell unterscheidet zwischen berechtigten Fluchtgründen (Krieg, politische Verfolgung) und unberechtigten (Armut). Das ist eine verkürzte Sicht der Dinge, die u.a. die Kolonialgeschichte und ihre Folgen oder den Zusammenhang zwischen Rüstungsexporten und Armut oder die Über-fischung afrikanischer Gewässer durch Fremde usw. außer Acht lässt.

Im Haus hat sich personell einiges verändert. Katarina Eller flog Ende Oktober nach zwei Jahren Freiwilligendienst zurück in die USA. Zum Flughafen begleitete sie ein großer Teil unserer Hausgemeinschaft, was Ausdruck dafür war, wie lieb wir sie gewonnen haben.

Zeitgleich verabschiedete sich Elisabeth Büngener etwas stiller aus der Kerngemeinschaft, ihrem Wesen entsprechend. Da sie Nachbarin war und Nachbarin bleibt, hoffen wir, dass sie uns als Freundin weiterhin gerne besucht.

Ein junger iranischer Mitbewohner zog aus. Auch Bogdan, der immer zum Arbeiten nach Hamburg kommt, zog seit dem letzten Rundbrief aus und ist nach nur einem Monat zurückgekehrt. Für ihn ist es eine große Selbstverständlichkeit, dass seine „Familie“ ihn aufnimmt. Bashir ist von Malta aus zu uns gereist. Er ist als anerkannter Flüchtling aus Somalia in das Resettlement-Programm der USA aufgenommen worden und wollte die relativ kurze Entfernung zwischen Malta und Deutschland noch einmal zum Besuch bei uns nutzen. Wir hatten noch verschiedene andere BesucherInnen und Kurzzeitgäste, so dass das Haus immer gut belegt war. Manchmal bekomme ich gar nicht richtig mit, wer alles da war. Aber Gastfreundschaft wollen wir auch denen gewäh-ren, die sich für unseren Lebensstil interessieren, z.B. weil sie ähnliche Projekte für sich anvisieren.

Am Volkstrauertag fand unser alljährliches Requiem für die Toten an den EU-Außengrenzen statt. Erstmalig gab es im Vorlauf einen Chor-Workshop unter der Leitung von Eva Itzlinger, einer sehr erfahrenen Musikerin und Aktivistin, die knapp 80 SängerInnen innerhalb weniger Stunden zur Auftrittsreife führte. Der Gottesdienst war mit insgesamt etwa 500 Menschen so voll wie nie zuvor. Das Thema „Europa und die Flüchtlinge“ ist in der gesellschaftlichen Mitte angekommen. Wir haben keine schnellen Lösungen, wir werden sicher auch 2014 wieder ein Totengedenken feiern müssen, aber die Wahrnehmung steigt und die Solidarität wächst.

Zwischen all dem Schwierigen erleben wir aber auch immer wieder Highlights: So hat Hilal 22 Jahre nach ihrer ersten Einreise nach Deutschland im vergangenen Monat tatsächlich ein humanitäres Bleiberecht zugesprochen bekommen! Dank der Beharrlichkeit ihres Bruders, der Flüchtlingspastorin Fanny Dethloff und ihres Rechtsanwaltes und vieler anderer wurde ihr Traum schließlich Wirklichkeit. Noch Tage, nachdem sie die gute Botschaft erhielt, stand sie wie unter Schock ob dieser unfassbaren Nachricht. Für uns Außenste-hende ist wohl kaum nachzuvollziehen, was nun in Hilal alles hochkam. Bei aller Freude gibt es da sicher auch das Trauern um vergeudete Lebensjahre. Jedenfalls muss sie nun keine Angst mehr haben und kam am 8.11. sogar mit zur Sportallee und verteilte selber ihre köstlichen Kekse. Wir sind so froh, sie im Haus zu haben und diese schöne Entwicklung hautnah miterleben zu dürfen.

Am Jahresende bedanken wir uns gerne für alle Unterstützung, die vielfältiger nicht sein könnte. Da sind die Geld- und Sachspenden, da sind freundliche und wohltuende Briefe, da ist das Berichten über uns oder die Mitwirkung bei unseren Aktivitäten. Für all dies und mehr danken wir Euch und Ihnen von Herzen.



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