Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
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Leben in Gemeinschaft
Brot & Rosen ist wie eine Insel

Syrisch-afghanisch-honduranisch-ivorisch-bosnisches Versandteam unserer „Inselzeitung“.

von Birke Kleinwächter / März 2018

Im Meer der Stadt Hamburg liegt irgendwo in einem unscheinbaren Stadtteil eine Insel, die heißt Brot & Rosen. Eine kleine Insel, auf der, gemessen an der Größe, erstaunlich viele Menschen leben.

Brot & Rosen ist in Wahrheit ein Haus der Gastfreundschaft in den Räumlichkeiten eines ehemaligen Pastorats und Gemeindehauses. Seit 1996 leben wir dort als eine kleine christlich-ökumenische Gemeinschaft, die Menschen, die ihrer Heimat entfliehen mussten, ein Zuhause auf Zeit anbietet – sozusagen eine Rettungsinsel.

Wenn ein neuer Flüchtling zu uns ins Haus kommt, ist die Spannung groß: Wie wird es dort sein?

Da erleben wir auch mal, dass Menschen glauben, wir seien eine soziale Einrichtung. Aber wenn sie da sind, erleben sie eine Wohngemeinschaft, eine große zwar mit meistens ca. 20 Personen, aber definitiv nichts Institutionelles. Das gilt für Menschen, die Geflüchtete bei Brot & Rosen unterbringen wollen, genauso wie für die, die hoffen bei uns wohnen zu können.

Das galt auch für mich, als ich Ende der 90er Jahre Brot & Rosen kennenlernte: Als ich das allererste Mal im Haus war, dachte ich, es würde dort einen Empfangstresen wie in einer Jugendherberge geben. Dem war nicht so.

Brot & Rosen ist eine viel bereiste Insel. Manchmal bleiben Menschen nur für kurze Zeit und es gibt viele Wechsel. TagesbesucherInnen in Form von kirchlichen oder studentischen Gruppen kommen und verschaffen sich ein Bild von der Insel und ihren BewohnerInnen. Es gibt aber vor allem Menschen, die viele Monate bleiben, die z.T. so lange bleiben, dass sie BewohnerInnen werden. Nur wenige bleiben für „immer“. Die meisten verschlägt es irgendwann wieder aufs Festland, auch wenn Tränen fließen, weil man sich während vieler Monate und Jahre miteinander angefreundet hat.

Die Insel Brot & Rosen hat eine gute Fährverbindung. Es gibt einen regen Güterverkehr (vor allem Lebensmittel und Post) und auch die Personenfähren funktionieren gut. Viele, die die Insel als ihren Wohnsitz verlassen, bleiben über Besuche verbunden.

Die Tage bei uns haben seit über 20 Jahren eine erstaunlich stabile Struktur. Die Kerngemeinschaft, also die Gruppe der „UreinwohnerInnen“, trifft sich unbeeindruckt von festländischer Hektik an jedem Werktag zum Gebet. Beim Abendessen haben sich nur die Anfangszeiten gelegentlich verändert, aber jeden Abend (von Montag bis Freitag) kommen alle InsulanerInnen, die gesamte Hausgemeinschaft, an einem Tisch zusammen.

Das Wesentliche, um uns zu verstehen, ist aber nicht die Beschreibung des Alltags. Es ist vielmehr die Suche nach Antworten, warum der Vergleich von Brot & Rosen mit einer Insel gar nicht schlecht ist.

Auf unserer Insel finden geflüchtete Menschen Schutz. Im unwirtlichen Meer der Stadt voll Bürokratie und Behördenjargon, großer und abgelegener Unterkünfte, Unrecht und Angst dürfen sie sich auf unserer Insel willkommen fühlen.

Wir, die Kerngemeinschaft, praktizieren in unserem Haus noch das uralte Prinzip der Gastfreundschaft, wie es z.B. im Alten Testament der Bibel festgeschrieben ist. Wir nehmen fremde Menschen auf, weil sie Hilfe brauchen. Erst dann lernen wir sie allmählich immer besser kennen. Wir laden sie ein in unsere Inselgemeinschaft, wo sie, manche schneller, andere langsamer, Teil dieser Gemeinschaft werden.

Gastfreundschaft ist ein Angebot auf Gegenseitigkeit, das sich der Berechenbarkeit entzieht. Wir bieten das Dach über dem Kopf, das Bett, Bad und Essen. Wir bedürfen der Mithilfe. Wie sich der neu angekommene Mensch einbringt, bleibt aber abzuwarten. Wir geben, das Geschenkte wird angenommen – und erwidert! Wir werden selber Beschenkte.

Immer bilden wir, was die Vielfalt der BewohnerInnen betrifft, als Inselvolk, als Hausgemeinschaft, die Gesellschaft draußen auf dem Festland als Mikrokosmos ab. Wir sind unterschiedlich alt, haben verschiedene Geschlechter und Vorlieben, wir haben Kinder oder keine, wir kommen von weit her oder nicht so weit her, wir glauben verschieden, wir haben verschiedene Hautfarben, Haare und Körpergrößen. Und wir sprechen ganz verschiedene Sprachen, wobei wir uns, so oft es geht, aufs Deutsche zu einigen versuchen. Und damit wir immer wissen, wer mit wem zusammenlebt, gibt es einmal wöchentlich ein verpflichtendes Treffen, bei dem wir berichten, was passiert, wer kommt oder geht, und bei dem die Aufgaben für die kommende Woche verteilt werden.

In unserem Bündnis auf Zeit gibt es auch Konflikte. Aber weil wir aufeinander angewiesen sind, ist die Bereitschaft, diese Konflikte zu besprechen und zu lösen, groß.

Die Geflüchteten erleben, dass sie gestärkt werden an diesem Ort des Versorgtseins. In unserem Haus dürfen sie sich sicher fühlen, sicherer jedenfalls als in der Stadt. Aber ihr Ziel oder auch ihre Lebensaufgabe ist die Rückkehr aufs Festland. Wir sind GefährtInnen für eine Teilstrecke ihrer jeweiligen Lebenswege.

Wer mag, kann fragen, ob sie / er uns auf unserer Insel mal besuchen darf. Gerne geben wir die Erfahrung weiter, dass das Zusammenleben mit vielen verschiedenen Menschen sehr beglückend sein kann.

Dieser Artikel erscheint in ähnlicher Form in der Märzausgabe der Zeitschrift „weltbewegt“ des Zentrums für Mission und Ökumene der Nordkirche.



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