Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
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Leben in Gemeinschaft
Neues aus der Fabriciusstraße

Kürzlich gab es Aufregung wegen unserer Haustür. Ein unbekannter Mensch hat unser „Alle Roma bleiben hier!“-Plakat mit derben Sprüchen überklebt und das Thema Roma durch weitere Aufkleber um seine Islamfeindlichkeit ergänzt. Schade, man kann ja auch reden mit uns. Jetzt hängen noch mehr Plakate an der Tür, die zu unserer Lesung „Zigeunistan“ und einer weiteren Veranstaltung im Rahmen der Interkulturellen Woche einladen.

von Birke Kleinwächter / Oktober 2016

Neulich abends saßen Dietrich und ich im Büro und besprachen einen bevorstehenden Besuch bei einem Pfarrkonvent und eine Gastanfrage. Während ich nebenbei noch überlegte, wie oft wir spät arbeiten und ob wir nicht bei unseren Kin-dern sein sollten, klingelte es an der Haustür.

Es war die junge Frau aus dem Haus gegenüber, deren Mutter eng befreundet ist mit unserer ehemaligen Mitbewohnerin Hilal und die wohl das Licht im Bürofenster gesehen hatte. Sie schenkte uns eine große Tüte voll Lammfleisch mit Grü-ßen ihrer Mutter. Die Muslime feierten dieses Jahr vom 12.-15.9. das Opferfest, ihr höchstes Fest (ähnlich wie für uns Weihnachten), bei dem sie an den Propheten Ibrahim/ Abraham erinnern, der Gott so sehr vertraute, dass er bereit war, seinen Sohn Isaak zu opfern. Eine der vielen Geschichten, die für uns ChristInnen wie für MuslimInnen wichtig sind! Bei diesem Fest ist es guter Brauch, wenn man es sich leisten kann, selber ein Schaf, eine Ziege o.ä. zu schlachten und das Fleisch Bedürftigen, aber auch eigenen Verwandten und Bekannten zu schenken. Gerade vor ein paar Tagen hatten unsere beiden syrischen Mitbewohnerinnen von diesem Fest erzählt und davon, wie sie es in Syrien gefeiert hätten. Und wie um es erfahrbar zu machen, steht jemand vor der Tür und beschenkt uns in eben dieser Tradition.

Der Sommer ist für viele deutsche Familien die Hauptreisezeit. Auch ich war viel weg und war gespannt, wer noch im Haus wohnen würde nach meiner Rückkehr. Eines der kontinuierlichen Merkmale von Brot & Rosen ist nämlich die Veränderung, die wir in unserem Haus erleben. Menschen kommen und Menschen gehen.

Auch in diesem Sommer gab es einige Abschiede. Für sechs Wochen lebte eine vierköpfige Familie mit honduranischen Wurzeln bei uns. Unser afghanischer Mitbewohner Ali freundete sich sehr mit den beiden Mädchen an und vermisst sie so sehr, dass er sie ab und zu besuchen fährt in ihrem neuen Zuhause.

Der Abschied von Amir war der schwierigste. Nach einem Krankenhausaufenthalt kam er sehr verändert zurück. Aus einem, wie ich fand, kooperativen und humorvollen Mitbewohner war ein Totalverweigerer geworden. Er wollte an nichts mehr teilhaben, was unser Zusammenleben ausmacht. So war der Auszug die logische Konsequenz, für uns wie für ihn, auch wenn er lieber länger Zeit gehabt hätte für seine Zimmersuche. Auch wenn unser Abschied schwierig war, vermisse ich ihn mit seiner hilfsbereiten Art und seinem Lachen.

Schwierig und traurig war auch der Abschied von Aleksandar. Er ist Roma und er stammt aus Serbien – beides Gründe, um keine, aber auch wirklich gar keine Chance zu haben, in Deutschland bleiben zu dürfen. Tapfer hat er sein Schicksal angenommen und mit seiner Familie Pläne geschmiedet für eine Zukunft in Belgrad. Wir wollen ihn dabei unterstützen; denn wir sind seine Familie.

Auch Emma zog kürzlich aus. Sie war als Freiwillige eines Süd-Nord-Programms in Hamburg, um in der Bildungsarbeit in Kirchengemeinden und in Kindertagesstätten mitzuarbeiten und hatte in erster Linie ein Zimmer bei uns. Mit ihrer freundlichen und reflektierten Art und ihrem klaren Auftreten freundete sie sich schnell mit allen an und integrierte sich gut in unsere Hausgemeinschaft.

Jetzt haben wir wieder Gastanfragen oder anders gesagt, jetzt reagieren wir wieder auf Gastanfragen. Allerdings bekenne ich freimütig, dass ich es genieße, dass wir mit der Vielzahl an Zimmern aktuell so unkompliziert eigene BesucherInnen oder FreundInnen des Hauses aufnehmen können. In früheren Jahren war es oft ein Abwägen und Diskutieren, ob BesucherInnen kommen können, wenn dann der Platz für Flüchtlinge fehlte. Nun können wir Gastfreundschaft für ganz verschiedene Menschen anbieten, wie es ja auch unsere Absicht ist.

Wie sich unser Haus verändert, merken wir auch am Älterwerden unserer Kinder. Lea ist mit 13 die Jüngste. Sie, Daniel und Elias sind jetzt KonfirmandInnen. Alanis ist in der 10. und Joel in der 11. Klasse mit dem Ziel Abitur klar vor Augen. Und Jonas wird im kommenden Monat ausziehen und sein Studium aufnehmen. Dass wir selber älter werden, merken wir z.B. daran, dass wir die geschenkten Lebensmit-tel vom Bioladen nicht mehr mit derselben Euphorie per Fahrrad mit Anhänger abholen, sondern, wenn verfügbar, lieber mit einem PKW.

Nach unserem 20 Jahres-Fest wurden Dietrich und ich von einem Radioredakteur interviewt, der sein Material mehreren Hamburger Privatsendern zur Verfügung stellte – dort waren wir mit unseren Themen bisher noch nicht so gefragt. Gefragt zu werden, reflektieren zu können und versuchen auf den Punkt zu bringen, was Brot & Rosen ausmacht und warum und wie wir hier leben, ist immer wieder ein Geschenk. Der Beitrag ist nachzuhören auf unserer Internetseite www.brot-und-rosen.de. Am meisten hängen geblieben ist mir Dietrichs Satz: „Flüchtlinge sind BotInnen einer aus den Fugen geratenen Welt.“ Sie kommen, weil es da, wo sie sind, nicht in Ordnung ist. Und sie gehen dahin, wo die Ordnung stimmt oder zu stimmen scheint. Menschen kommen auch zu uns mit ihren Hoffnungen, zuallererst mit dem Wunsch nach einem Dach überm Kopf, einem eigenen Zimmer, einem Schutzraum, aber tief in sich auch mit der Hoffnung auf ein besseres und angstfreieres Leben.

Ein Novum werden wir dieses Jahr erleben: Zum ersten Mal fahren wir als gesamte Hausgemeinschaft zusammen weg. Ein Wochenende lang werden wir an der Ostsee sein. Als schrumpfende Kerngemeinschaft im gewachsenen Haus su-chen wir nach neuen Rollendefintionen und -bildern. Wenn so viele Menschen zusammenleben, ist es schön, wenn nicht nur die Jobs aufgeteilt werden, sondern auch die Idee des Hauses geteilt und gemeinsam getragen und gestaltet wird.

Und weiterhin gilt: Wir suchen Menschen, die als Freiwillige Zeit, Lust und Kraft haben, unser Leben im Haus der Gastfreundschaft mitzugestalten. Wer sich berufen fühlt, möge sich melden!



Mittragen

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