Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
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Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Raum für Christus

Dorothy Day (* 4.11.1897 - + 29.11.1980), Mitbegründerin der Catholic Worker-Bewegung, veröffentlichte diesen Text in der Dezember Ausgabe 1945 des Catholic Worker.

Es hat keinen Sinn, zu sagen, wir seien 2000 Jahre zu spät geboren, um Christus Raum anzubieten. Genauso wenig werden jene, die am Ende der Zeit leben, zu spät geboren sein. Christus ist immer mit uns, er bittet immer um Raum in unseren Herzen.

Aber heute spricht er mit der Stimme unserer ZeitgenossInnen, er schaut umher mit den Augen des Verkäufers, der Fabrikarbeiterin und der Kinder; er gibt mit den Händen der Büroangestellten, der Armen in den Sozialghettos und der Hausfrauen in den Vorstädten. Er geht mit den Füßen von Soldaten und Obdachlosen, und mit dem Herzen eines jeden Bedürftigen sehnt er sich nach einem Obdach. Und jemandem Obdach oder Essen zu geben, der darum bittet oder es benötigt, ist, als ob man es Christus selbst gibt.

Wir können jetzt tun, was jene, die ihn zu seinen  Lebzeiten kannten, taten. Ich bin sicher, die Hirten beteten nicht nur an und gingen dann weg, um Maria und ihr Kind im Stall zurückzulassen, sondern sie fanden für sie irgendwie einen Raum, selbst wenn das, was sie anzubieten hatten, sicherlich sehr einfach war. Alles, was die FreundInnen Jesu zu seiner Lebenszeit für ihn taten, können wir tun. Petrus Schwiegermutter beeilte sich, ihm ein Essen zu kochen, und sie gab sicher ihr Bestes, ohne dass es extravagant sein musste. Matthäus machte ein Fest für ihn und lud die ganze Stadt ein, so dass sein ganzes Haus Kopf stand vor Freude, und die engstirnigen Pharisäer – die „guten Leute“ – waren empört.

Die Menschen von Samaria, in der damaligen Zeit von den Juden verachtet und isoliert, waren voller Freude darüber, IHM Gastfreundschaft erweisen zu können. Tagelang war ER unter ihnen, aß und trank mit ihnen. Und die schönste aller Beziehungen in Christi Leben war seine Freundschaft mit Martha, Maria und Lazarus und die beständige Gastfreundschaft, die er bei ihnen fand. Es ist ein überwältigender Gedanke, dass es damals zwei Schwestern und einen Bruder gab, die Jesus geradezu als Familie ansahen und bei denen ER ein zweites Zuhause fand, wo Martha immerzu arbeitete und wie eine Super-Hausfrau alles regelte und Maria einfach in Stille bei IHM saß.

Wenn wir nicht Christi eigene Worte hätten, dann wäre es rasender Wahnsinn zu glauben, dass wir die Rolle von Lazarus oder Martha oder Maria wiederholen können, wenn wir irgendeinem Mann, einer Frau oder einem Kind ein Bett und Essen und Gastfreundschaft anbieten, dass wir damit Christus zu Gast haben. Es gibt nichts, was uns dies beweisen würde, vielleicht. Da sind keine Heiligenscheine um ihre Häupter – zumindest keine, die menschliche Augen sehen könnten. Es ist unwahrscheinlich, dass ich durch eine Vision diese Sicherheit erhalte, wie sie die Heilige Elisabeth von Ungarn (und Thüringen) hatte, die einen Leprakranken in ihr Bett legte und später, als sie sich um ihn kümmern wollte, nicht mehr das von Lepra zerstörte Gesicht sah, sondern das Angesicht Christi. Es wird uns wohl vielmehr wie Peter Claver ergehen, der in den USA zur Sklavenzeit einem schwer geschlagenen Afroamerikaner sein Bett anbot und selbst auf dem Boden schlief: Denn Peter Claver sah mit seinen leiblichen Augen nichts als die erschöpften schwarzen Gesichter von Afroamerikanern. Er hatte lediglich den Glauben an Christi eigene Worte, dass diese Menschen Christus seien. Und als einmal in einer Situation die Schwarzen, die er gebeten hatte, ihm zu helfen, voller Panik vor einer ekelerregenden Krankheit aus dem Zimmer liefen, war er erstaunt darüber und sagte: „ Ihr dürft nicht gehen.“ Und man kann in seiner Stimme immer noch die Überraschung hören, dass irgendjemand diese Wahrheit vergessen könnte: „Ihr dürft ihn nicht verlassen – er ist Christus.“

Vor einiger Zeit sah ich die Todesanzeige für einen jungen Militärpiloten, der im aktiven Dienst gefallen war. Nach den üblichen Informationen war eine Nachricht hinzugefügt, von der ich vermute, dass sie wahrscheinlich nachgemacht werden wird. Da stand, dass jeder, der jemals diesen toten Jungen gekannt hatte, sich sicher sein könnte, im Hause seiner Eltern gastliche Aufnahme zu erfahren. So werden jetzt der Vater und die Mutter, nachdem der Krieg vorüber ist, weiterhin Fremde aufnehmen allein deshalb, weil sie durch die Freunde ihres Sohnes an ihn selbst erinnert werden.

Das ist so ähnlich wie der Brauch unter den ersten ChristInnen, als der Glaube ein helles Feuer war, das nicht nur die erwärmte, die es am Brennen hielten. Damals gab es in jedem Haus ein Zimmer, das für die Fremden freigehalten wurde, die um eine Unterkunft bitten würden – es wurde sogar das „Fremdenzimmer“ genannt. Diese Menschen taten dies nicht darum, wie die Eltern des toten Piloten, weil sie in den Fremden irgendetwas von einer geliebten Person zu finden hofften, nicht weil dieser Mann oder diese Frau, dem sie die Unterkunft gaben, sie an Christus erinnerte, sondern weil er – als klare, einfache und erstaunliche Tatsache – Christus selbst war.

Es wäre verrückt so zu tun, als ob dies immer so einfach zu erinnern wäre. Wenn alle heilig und gut aussehend wären, das „Bild Christi“ wie im Neonschein um sie herum strahlen würde, dann wäre es einfach, Christus in allen zu sehen. Wenn Maria in Bethlehem mit der Sonne als ihrem Kleid erschienen wäre, wie es der Heilige Johannes beschreibt, mit 12 Sternen als ihrer Krone und dem Mond unter ihren Füßen, dann hätten sich die Leute darum geschlagen, ihr einen Platz anzubieten. Aber das war nicht Gottes Weg für sie, und genauso wenig ist es Christi eigener Weg für sich selbst, wenn er sich jetzt unter jeglicher Art von Menschsein verbirgt und auf dieser Erde umhergeht.

Um zu sehen, wie weit wir dies alles begreifen, können wir uns ehrlich fragen, was wir tun würden, oder getan haben, als ein Bettler an unserer Tür um Essen fragte. Würden wir – oder hatten wir – es auf einem alten, rissigen Teller (ge)geben, im Gedanken, dass dies gut genug wäre? Denken Sie, dass Martha und Maria dachten, der alte und angeschlagene Teller wäre gut genug für ihren Gast gewesen?

In Christi menschlichem Leben gab es immer einige wenige, die die Vernachlässigung durch die Menge wettmachten. Die Hirten taten es – wie sie zur Krippe eilten, machten sie damit für die Leute, die vor Christus wegliefen, etwas gut. Die weisen Männer taten es – ihre Reise rund um die Welt war ein Ausgleich für all die Leute, die nicht bereit waren, eine Handbreit von ihrer Routine abzuweichen, um zu Christus zu gehen. Selbst die Geschenke dieser weisen Männer trugen in sich eine verborgene Wiedergutmachung und Versöhnung für das, was später im Leben dieses Kindes passieren würde. Denn sie brachten Gold, das Zeichen des Königs, um die Krone aus Dornen, die Er tragen würde, auszugleichen. Sie boten Weihrauch dar, das Zeichen für Lobpreis, um den Spott und das Anspucken wieder gut zu machen. Sie gaben Ihm Myrrhe, zum Heilen und Schmerzlindern, und Er wurde von Kopf bis Fuß verwundet, und niemand badete Seine Wunden. Die Frauen am Fuße des Kreuzes taten dies ebenfalls, und machten es damit wieder gut für die Menge, die dabei stand und spottete.

Wir können es auch tun, genauso wie sie es taten. Wir sind nicht zu spät geboren. Wir tun es dadurch, dass wir Christus sehen und Christus dienen in den Nächsten und den Fremden, in allen Menschen, mit denen wir zu tun haben.

All dies kann bewiesen werden, falls Beweis nötig ist, durch die Lehren der Kirche. Wir können über den Mystischen Leib Christi sprechen, über den Weinstock und die Reben, über die Gemeinschaft der Heiligen. Aber Christus selbst hat uns den Beweis geliefert, und niemand muss weiter gehen als das. Denn ER sagte, dass ein Glas Wasser, das einem Bettler gegeben wird, IHM gegeben wird. Er machte uns klar, dass das Himmelreich an dem Scharnier unseres Verhaltens Ihm gegenüber hängt, wie Er sich in der gewöhnlichen, zerbrechlichen, normalen Menschheit verborgen hat.

Gabst Du Mir zu essen, als Ich hungrig war?

Gabst Du Mir zu trinken, als Ich durstig war?

Gabst Du Mir Kleider, als die Meinigen nur noch Lumpen waren?

Kamst Du, um Mich zu besuchen, als Ich krank, im Gefängnis, in Not war?

Und zu denen, die dann entsetzt sagen werden, dass sie nie eine Chance gehabt hätten, um dies zu tun, dass sie 2000 Jahre zu spät geboren seien, wird Er wiederum sagen: „Ihr hättet Euer ganzes Leben wissen können, dass Ihr all diese Dinge für Mich tut, wenn Ihr sie für meine allergeringsten Geschwister tut.“

Für einen wirklichen Christen ist der Ansporn der Pflicht nicht nötig – immer jemanden dazu anzutreiben, diese oder jene gute Tat zu tun. Es ist keine Pflicht, Christus zu helfen, es ist ein Privileg! Ist es wahrscheinlich, dass Martha und Maria dasaßen und dachten, dass sie nun genug für IHN getan hätten? Ist es wahrscheinlich, dass Petrus Schwiegermutter grummelnd das Huhn servierte, das sie eigentlich für den Sonntag aufheben wollte, weil sie dachte, dass es ihre „Pflicht“ wäre? Sie tat es frohen Herzens – sie hätte 10 Hühner aufgetischt, wenn sie welche gehabt hätte.

Wenn sie damals auf solche Weise Christus Gastfreundschaft erwiesen, dann sollten wir es heute sicherlich auch noch so tun. Nicht aus reiner Menschlichkeit. Nicht weil es Christus sein könnte, der bei uns wohnt, der uns besucht, der unsere Zeit in Anspruch nimmt. Nicht weil uns diese Leute an Christus erinnern, wie jene Soldaten und Piloten diese Eltern an ihren Sohn erinnern, sondern weil sie Christus sind, der uns bittet, Raum für ihn zu finden, genauso wie Er es am ersten Weihnachten tat.

übersetzt von Dietrich Gerstner



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