Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
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Leben in Gemeinschaft
Dein Reich komme!

Zum 120. Geburtstag von Dorothy Day im Jahre 2017 veröffentlichte das KONRADSBLATT, die Wochenzei-tung für das Erzbistum Freiburg, am 12.11.2017 (Nummer 46, S. 26f.) folgenden Artikel von Bernhard Schilling. Bernhard hat uns vor Jahren in Hamburg besucht und ist uns seither verbunden geblieben. So freuen wir uns, dass wir diesen Text über die Mitgründerin unserer „Catholic Worker-Bewegung“ nachdrucken dürfen.

Die Kirche zu lieben habe ihn Dorothy Day gelehrt, bekennt ein amerikanischer Theologe. Zumindest wer in dieser Liebe angefochten ist, sie aber bewahren und nicht verbittern möchte, horcht bei diesem Bekenntnis auf. Wer war Dorothy Day? Sie bezeichnete sich selbst als eine „zornige aber treue Tochter der Kirche“. Sie kennzeichnet so ihr Leiden an der Kirche und zugleich ihre Liebe zu ihr. Ihre Liebe ging in das Zentrum der Kirche zu den Sakramenten, zur Eucharistie und zum Sakrament der Versöhnung. Leiden ließ sie die Halbherzigkeit der Kirche, ihre Untreue gegenüber dem Evangelium, wenn es um die Sache der Ausgegrenzten und der Armen, wenn es um Krieg und Kriegsvorbereitung ging. Und doch, selbst in Zeiten größter Erbitterung sagte sie über die Kirche: „Wo sonst sollen wir hingehen, wenn nicht zur Braut Christi, eines Fleisches mit Ihm.“ In Zeiten von Anfeindungen aus der Kirche, in Zeiten von bischöflichen Bevormundungsversuchen verwies sie auf ein Wort Jesu: „Des Menschen Feinde werden seine Hausgenossen sein.“(Matthäus 10,26) Sie war bereit, den Preis der Jüngerschaft zu bezahlen.

Dorothy Day, geboren am 8. November 1897, war Tochter eines Sportjournalisten, den seine Arbeit und mit ihm seine ganze Familie in immer wieder andere Städte verschlug. Dorothy Day wird selbst Journalistin ausgestattet mit einem missionarischen Selbstverständnis, mit dem sie die Not und Erniedrigung der Ärmsten und Benachteiligten in der amerikanischen Gesellschaft nicht nur beschreiben und beklagen, sondern auch verändern möchte. Als junge Frau engagierte sie sich in den sozialistischen Bewegungen ihrer Zeit. Sie pflegte Freundschaften zu Gewerkschaftern und Kommunis-ten, die ihr – wie sie sagte – halfen, „Gott in den Armen und Verlassenen zu finden als ich ihn in den christlichen Kirchen nicht finden konnte“. Als sie dann 1927, während sie die Geburt ihrer Tochter erwartete, zum Glauben und zur Kirche fand, entdeckte sie im Evangelium die „Werke der Barmher-zigkeit“. Sie sah darin Anweisungen Jesu zur „direkten Aktion“ für die Ärmsten, die er seligpries. Für Dorothy Day war Jesu Predigt vom angebrochenen Reich Gottes ohne tätige Hinwendung zu den Armen nicht zu verstehen.

Viele ihrer Überzeugungen aus ihren früheren sozialen und politischen Engagements fand sie vom Evangelium bestätigt. In den sozialen Verwerfungen in der Folge der Weltwirt-schaftskrise mit 13 Millionen Arbeitslosen in den USA Anfang der 1930er Jahre drängten sie nur noch mehr zum Handeln. In dem für Dorothy Day erlebbaren Leben der Kirche fand sich dafür jedoch kein Ansatzpunkt. In ihrer Enttäuschung betete sie darum, dass Gott ihr einen Weg zeigen möge, ihr Engagement für die Opfer der wirtschaftlichen Krise in und mit der Kirche weiterzuverfolgen. Sie war bald umgeben von Gleichgesinnten: der Beginn der Catholic-Worker-Bewegung. Am 1. Mai 1933 verkauften sie die erste Ausgabe ihrer Zeitung „The Catholic Worker“ (Der Katholische Arbeiter), bei der großen Maidemonstration auf dem New Yorker Unionsquare. Mit der Zeitung wie auch mit ihrem konkreten Engagement wollten die Catholic Worker die Perspektive des Evangeliums und der kirchlichen Soziallehre in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen hineintragen, in denen die Kirche weitgehend abwesend war. Dorothy Days Wirken für die Ausgebeuteten und Besitzlosen fand mit ihrer Bekehrung zum Glauben der Kirche kein Ende, sondern seine eigentliche Gestalt.

Der Glaube hatte Dorothy Day dahin geführt, in den Armen Christus selber zu suchen und zu finden. Ohne kirchlichen oder staatlichen Auftrag, ohne kirchliche oder staatliche Gelder, allein aus dem Bewusstsein persönlicher Verantwor-tung und so auch in großer Freiheit, allein den Armen ver-pflichtet, bildete die Bewegung Gemeinschaften mit „Häusern der Gastfreundschaft“ für die Armen. Selbst besitzlos speisten und kleideten sie in den großen Städten die Allerärmsten, die Arbeitslosen, die Obdachlosen, die Stadtstreicher, die Besitzlosen mit dem, was sie selber erbettelt hatten. In den Elendsvierteln der großen Städte war der als Bild und Gleichnis Gottes geschaffene Mensch am meisten seiner Würde beraubt. Hier ohne Fragen und ohne Bedingungen zu teilen und Not zu lindern, war ein Weg, die Würde des Menschen ein Stück weit wiederherzustellen und in ihm Christus zu erkennen und ihm zu dienen. Dieser Weg der Liebe auch für den, der nicht mehr liebenswert erschien, war der Weg einer „harten und schrecklichen Liebe“ – wie sie es (Dostojewskis Starez Sossima zitierend) ausdrückte. Dorothy Day hat im Evangelium keinen anderen Weg ge-funden: „Ihr sollt einander lieben, wie ich euch geliebt habe“ (Johannes 13,34). Freilich hat das für sie auch bedeutet, sich mit einer radikalen Gesellschaftskritik zu Wort zu melden, die Ursachen der Not zu benennen und für deren Beseitigung zu streiten. Noch als 75jährige bezog einen Streikposten bei einem unter dem Einfluss der Agrarindustrie für illegal erklärten Streik der mexikanischen Landarbeitergewerkschaft in Kalifornien. Sie musste in der Folge ins Gefängnis – nicht zum ersten Mal in ihrem Leben war dies der Preis für ihr Engagement.

In den Kämpfen ihrer jungen Jahre entwickelte Dorothy Day ihre tief empfundene Solidarität mit den Menschen. Dieses Lebensgefühl erlaubte es ihr nicht, mit dem Rücken zur Not und zum Unfrieden in der Welt zu leben. Zugleich war es – wie sie in ihrer Autobiografie schreibt – dieses „Ge-fühl der Solidarität, das mich langsam zum Verständnis der Lehre vom mystischen Leib Christi führte, in dem wir unter-einander Glieder sind.“ Sie hat alle Menschen als Glieder oder mögliche Glieder der Kirche gesehen und so stellt sie fest, „sind wir alle eins, sind wir alle ein Leib, Chinesen, Russen, Vietnamesen, und ER hat uns aufgetragen, einander zu lieben“. Das Wort des Evangeliums, seine Forderung nach kompromissloser, gewaltloser Liebe ist auch für sie ein „hartes Wort“: „Es ist wirklich ‘hart und schrecklich‘ von uns Liebe zu fordern, von jedem einzelnen von uns, aber sie ist die einzige Antwort“. Hierin wurzelt Dorothy Days Haltung konsequenter Gewaltlosigkeit, die nicht bei der bloßen Überzeugung stehen bleiben konnte, sondern in gewaltfreiem Protest, in zivilem Ungehorsam gegen Unrecht, Krieg und Kriegsvorbereitung zu einem konkreten Ausdruck finden musste.

Dorothy Day war eine Frau des Gebetes. Zu ihrem täglichen Leben gehörten seit ihrer Bekehrung die Feier der Hl. Messe, die Schriftlesung, das Psalmengebet. Sie suchte konsequent die Gegenwart Gottes im Gebet. Vielleicht war es darum, dass sie das verborgene Antlitz Jesu in den leidvollen Gesichtern der Ärmsten nicht übersehen konnte. Sie lebte die Einheit von Aktion und Kontemplation. Ihr Leben in Gebet und Handeln war eine einzige Bitte: Dein Reich komme!

Dorothy Day starb 83jährig am 29. November 1980 in New York im Catholic-Worker-Haus für obdachlose Frauen. Über ihr Leben sagte sie: „Alles ist Gnade“.

Die amerikanischen Bischöfe sprechen schon bald von der tiefgreifenden Wirkung ihres Lebens, besonders ihres Zeugnisses der Gewaltlosigkeit, auf die Kirche der Vereinigten Staaten. 1997 leitet der Erzbischof von New York das Seligsprechungsverfahren ein.

In seiner Rede vor dem amerikanischen Kongress im September 2015 wies Papst Franziskus darauf hin, wie sehr Dorothy Days soziales Engagement, ihre Leidenschaft für Gerechtigkeit, für Frieden und für die Sache der Unterdrückten vom Evangelium, von ihrem Glauben und dem Vorbild der Heiligen inspiriert war. Für den Papst gehört sie deshalb zu den Menschen, die einen Weg zeigen, die Wirklichkeit zu sehen, sie zu verstehen und auf eine bessere Zukunft hin zu gestalten.

Weltweit gibt es zur Zeit etwa 250 Catholic Worker-Gemeinschaften (davon auch eine in Hamburg und eine in Dortmund). Wie auch immer man Dorothy Day und diese auf sie zurückgehenden Gemeinschaften kennzeichnen mag, sie selbst sagt: „…das endgültige Wort ist Liebe. … Wir können Gott nur lieben, wenn wir einander lieben, und dazu müssen wir einander kennen. Wir erkannten ihn, als er das Brot brach, und wir lernen einander kennen, wenn wir zusammen Brot brechen und nicht länger allein sind. Der Himmel ist ein Gastmahl, und so ist es das Leben, selbst wenn wir nur eine Brotkruste haben, aber mit anderen vereint sind. Wir alle haben die lange Einsamkeit gekannt und erfahren, dass die einzige Lösung Liebe ist und dass Liebe aus der Gemeinschaft entsteht“.



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