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Leben in Gemeinschaft
Brot & Rosen in Corona-Zeiten

Wir freuen uns, dass Birgit Gödde nach zwei Jahren Mitleben an Ostern Teil unserer Gemeinschaft geworden ist.

von Birke Kleinwächter / Mai 2020

„Wie geht es Euch bei Brot & Rosen?“, werden wir oft gefragt. Und wie viele andere Menschen können wir keine eindeutigen Antworten geben. Aber ganz allgemein lässt sich sagen: Uns geht es gut.

In diesen Zeiten mit Kontaktsperre und stark eingeschränkten Angeboten sind wir als sehr große Hausgemeinschaft klar im Vorteil. Dass wir nun z.B. von allein lebenden Menschen beneidet werden um die Lebendigkeit unserer Hausgemeinschaft, ist neu. In Zeiten vor Corona hörten wir durchaus: „So wie Ihr könnte ich nicht leben.“ Jetzt können wir unseren Lebensstil nur wärmstens weiterempfehlen!

Allwöchentlich beim Haustreffen erinnern wir uns gegenseitig an die Vorschriften und sinnvollen Maßnahmen wie Abstandsregeln außerhalb des Hauses, auch zu eigenen Freund*innen oder Verwandten, oder das Händewaschen, wenn man wieder nach Hause kommt. Beim Abendessen reichen wir uns nicht mehr die Hände, sondern strecken unsere Ellbogen zu unseren Tischnachbar*innen aus. Auch nach über einem Monat ist das immer noch witzig. Als Kerngemeinschaft feiern wir Morgenandachten. Bei unserem Abendmahl an jedem Montagmorgen trinken wir aus kleinen Einzelgläsern und nicht mehr aus dem gemeinsamen Kelch. Ich frage mich, ob ich bei einem Abendmahl in einer Kirche je wieder gemeinsam mit anderen aus einem Kelch trinken werde. Unsere Gemeinschaft ist übrigens gewachsen; denn Birgit Gödde ist seit Ostermontag Teil unserer Einkommens- und Lebensgemeinschaft. Wir alle sind glücklich, dass wir auch weiterhin miteinander auf dem Weg sind. Mit Gefährt*innen geht es sich leichter!

Durch die allgemein verfügte Kontaktsperre sind alle Deutschkurse weggefallen. Das ist schade; denn viele unserer Mitbewohner*innen haben die verschiedenen Angebote in Hamburg genutzt. Unsere beiden Auszubildenden müssen genauso wie unsere jugendlichen Kinder von zu Hause aus lernen. Die Fülle des Stoffs für die Altenpflege- und die Sozialpädagogische Assistenz-Ausbildung ist unglaublich. Für eine Person, die keine Deutsch-Muttersprachlerin ist, ist die Menge manchmal kaum zu schaffen, zumal Shirley neben der Berufsschule im normalen Schichtdienst im Altenpflegeheim arbeitet.

Auch die Jobs, die einzelne unserer Hausgenoss*innen hatten, sind weggefallen. Wir zahlen deshalb zur Zeit an mehr Personen Taschengeld aus, damit sie überhaupt etwas zur Verfügung haben. Einige müssen außerdem ihre Familien in den jeweiligen Heimat- oder Fluchtländern unterstützen. Ebenso berichten ehemalige Mitbewohner*innen uns von ihren finanziell kritischen Lebenssituationen z.B. in Serbien oder Griechenland.

Insgesamt staune ich, wie gelassen die bei uns lebenden Geflüchteten die aktuelle Situation hinnehmen. Ich glaube, da sind sie durch ihre Lebenserfahrungen (Krieg, Flucht etc.) geschulter als wir. Sie wissen schon lange, wie wenig ihr Leben in ihren Händen liegt, wie wenig Einfluss sie auf ihr Geschick haben.

Als Hausgemeinschaft verbringen wir jetzt viel mehr Zeit miteinander. Montags beim Haustreffen wird nicht nur abgefragt, wer das Abendessen für alle kocht, sondern auch, wer das Mittagessen vorbereitet. Einige aus der Hausgemeinschaft haben unter der Leitung von Birgit Gödde schon viele Wände gestrichen in verschiedenen Zimmern und Fluren. Wie viele andere konnten wir zwar regelmäßig zum nahe gelegenen Baumarkt gehen, aber nicht mehr zur Kirche oder in die Moschee. Man muss nicht alle Maßnahmen verstehen.

Anfangs, in der Phase der Hamsterkäufe, kriegten wir tatsächlich kaum gespendete Lebensmittel. Unser Biomarkt verkaufte rasend gut. Die Hamburger Tafel musste viele Freiwillige, die altersbedingt zu den Risikogruppen gehören, bitten, zuhause zu bleiben, und stellte die Abholung von Lebensmitteln aus Supermärkten weitestgehend ein. Stattdessen wurde das Lager geräumt. Das bedeutete für uns, viel Salatsoße, Weihnachtsgebäck, Eintöpfe in Konserven u.ä. Wir kriegen immer noch vor allem haltbare Lebensmittel wie Konserven, Schokolade, asiatische Nudelpackungen. Aber wir kriegen wieder Lebensmittel. Schön war auch das Erlebnis, dass ein Mitarbeiter aus einem Restaurant, das schließen musste, sich über den Ortspastor nach einem Hilfsprojekt erkundigte und uns deshalb eine Zeit lang mit Milchprodukten oder einem Sack Kartoffeln oder wie vor kurzem mit zwei Kartons mit Duschmittel und Cremes belieferte.

Wir sind es gewohnt, in Abhängigkeit von anderen zu leben. Deshalb oder trotzdem beschäftigt es uns natürlich, wie wir die Folgen der aktuellen Krise zu spüren bekommen werden. Wochenlang fallen Gottesdienste aus – wochenlang werden also keine Kollekten gesammelt. Das betrifft sehr viele von Spenden abhängige Projekte und Einrichtungen. Übrigens betrifft es ja auch alle Moscheen, die ihre Arbeit in der Regel ausschließlich durch Kollekten finanzieren. Bei Brot & Rosen machen Kollekten ca. 10-20 Prozent der gesamten Spendeneinnahmen eines Jahres aus. Vereinzelt kriegen wir durch Überweisungen mit, dass es anstatt von Kollekten Spendenaufrufe zu geben scheint. Auch haben wir schon die eine oder andere Corona-Spende erhalten. Wir bedanken Spenden in der Regel einzeln, möchten aber an dieser Stelle ausdrücklich allen sagen, die uns finanziell, mit Sachspenden oder Geschenken helfen: Ihr helft uns gerade ganz besonders – vielen Dank!

Wir waren bei Brot & Rosen, was Masken betrifft, nicht gut vorbereitet. Ein erstes Carepaket kam und wir haben auch selber Masken genäht, also diejenigen, die einigermaßen mit einer Nähmaschine umgehen können. Manchmal frage ich mich, ob es nicht auch eine Maskenpflicht geben müsste, wenn der Verkehr „normal“ rollt, also viel zu viele Fahrzeuge unterwegs sind und die Luft verpesten. Feinstaubtote und Opfer von zu hohem Tempo auf unseren Straßen sind noch nie eine von oben verordnete so drastische Maßnahme wert gewesen. Diese Liste könnten wir unendlich fortsetzen. Da sind die Opfer des Klimawandels, seit langem Thema junger Protestierender. Da sind die Kriegsopfer, deren Heimat nicht selten durch deutsche Waffensysteme zerstört wird. „Jedes Leben zählt!“, sagt z.B. der bayrische Ministerpräsident. Aber wir müssen sagen: Das ist eine Lüge! Denn das Leben und die Lebensqualität Geflüchteter in Deutschland, in Europa (z.B. auf Lesbos) zählen nicht.

Und damit kommen wir zu einer weiteren schlimmen Folge der Kontaktsperren: In Hamburg ist das Demonstrieren quasi verboten oder wird unter fast entwürdigenden Bedingungen genehmigt (Obergrenzen von 20 oder 60 Leuten, Mahnwachen, keine Märsche etc.). Polizist*innen, die in der Regel in Gruppen zusammenstehen oder zu viert im Auto sitzen, dürfen zwei Leute mit einem Bußgeld belegen, wenn eine der beiden Personen ein Protestschild trägt. Dann ist es nämlich eine verbotene Versammlung! Sobald drei oder vier Personen im Rahmen einer Protestaktion zu dicht zusammenstehen, schreitet die Polizei ein.

Am allerschlimmsten aber finde ich, dass über die stattfindenden Proteste in den Hamburger Zeitungen oder durch den NDR nur minimal berichtet und fast nie aufgerufen wird. Es gibt eine Billigung aller Beschränkungen, die nicht mehr ganz nachvollziehbar ist. Welchen Wert haben unsere Grundrechte für uns, wenn wir so bereitwillig auf sie verzichten unter dem Motto „Sicherheit statt Freiheit“? Das Thema beschäftigt und besorgt uns sehr. Residenzpflicht und die beschränkte Meinungsäußerung sind Eingriffe in Grundrechte, die Geflüchtete schon lange erleben.



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