Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
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Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Fremde und Gäste in dieser Welt

The Lord's Supper, Fritz Eichenberg 1953

von Friedbert Neese/ November 2016

Im Oktober war Birke Kleinwächter bei der Jahrestagung der Stiftung Geistliches Leben zum Thema „Gastfreundschaft oder Angst vor Überfremdung?“. Im Folgenden stellen wir die Predigt von Pastor Friedbert Neese über 1. Petrusbrief 2,11: „Fremde und Gäste in dieser Welt“ in Auszügen vor.

Jeder ist Ausländer – fast überall!“ Eine Selbstverständlichkeit in einen kurzen Satz gekleidet. Ein „Gegen-Satz“ zu den Schmierereien „Ausländer raus“ oder „Deutschland den Deutschen“. Ein „Merk-Satz“, der möchte, dass wir aufmerken, wo Fremdenhass sich ausbreitet.

Um Fremde geht es heute, um Gastfreundschaft, darum, wie aus Fremden Freunde werden. (...)

Ich möchte jetzt unseren Blick darauf richten, dass wir grundsätzlich „Fremde und Gäste in dieser Welt“ sind und als Gegenbild dazu „Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“ (Epheserbrief 2).

Gabriel Laub (tschechischer Exilant) hat vor etwa 30 Jahren die folgenden eindrücklichen Sätze geschrieben:

Fremde sind Leute, die später gekommen sind als wir:
in unser Haus, in unseren Betrieb, in unsere Straße,
unsere Stadt, unser Land.
Die Fremden sind frech:
die einen wollen so leben wie wir,
die anderen wollen nicht so leben wie wir.
Beides ist natürlich widerlich.
Alle erheben dabei Ansprüche auf Arbeit, auf Wohnungen
und so weiter, als wären sie normale Einheimische.
Manche wollen unsere Töchter heiraten,
und manche wollen sie sogar nicht heiraten,
was noch schlimmer ist.
Fremdsein ist ein Verbrechen,
das man nie wieder gut machen kann.

Im 1. Petrusbrief 2,11+12 heißt es: „Ihr Lieben, da ihr Fremde und Gäste seid in dieser Welt, ermahne ich euch: Gebt den irdischen Begierden nicht nach, die gegen die Seele kämpfen. Führt unter den Heiden ein rechtschaffenes Leben, damit sie, die euch jetzt als Übeltäter verleumden, durch eure guten Taten zur Einsicht kommen und Gott preisen am Tag der Heimsuchung.“ (…)

Das Volk Gottes ist in dieser Welt nicht heimisch.

Besonders wird das deutlich am 1. Petrusbrief, gleich im ersten Satz gewidmet „den Fremdlingen in der Zerstreuung". Denen wird gesagt: Führt darum, solange ihr noch hier in der Fremde seid, ein Leben, mit dem ihr vor ihm bestehen könnt!

Christsein heißt für den Verfasser des 1. Petrusbriefes:
1. Glied einer Minderheit sein, in der Isolation sein. Diese Ablehnung durch die Gesellschaft ist ganz normal für das ChristInsein. Es soll von den ChristInnen akzeptiert werden. Jesus war ja auch ein Fremder in dieser Welt, geflüchtet, vertrieben, unbehaust.
2. Es gibt eine Polarität von Gemeinde und Welt, die sehr deutlich markiert wird. Es gibt draußen und drinnen. Da gibt es den Eckstein. Alle stoßen sich an ihm. Dazu sind sie auch bestimmt. „Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk usw." (2,6ff). So deutlich sind die Unterschiede zwischen drinnen und draußen.
3. Innerhalb der Gemeinde gibt es eine Solidarität der Verfolgten. Die kleine Gruppe hält zusammen. Die Geschwisterliebe ist etwas ganz Besonderes. Hier kann man Geborgenheit und Gemeinschaft erfahren, wie sonst nirgends auf der Welt.
4. Das Vorbild des gefolterten Christus, der gelästert wurde und leiden musste, der ein Ausgestoßener war, ermutigt diese ChristInnen (2,21-25; 4,1-13). Er ist nämlich durchgebrochen zum Heil, und das ist ihr Weg. Darum haben sie so ein Durchhaltevermögen, als AusländerInnen in dieser Welt zu leben, als Fremde. Die ganze Christenheit der ersten drei Jahrhunderte war eine unterdrückte Minderheit, und sie hat es durchgehalten im Blick auf Christus. (…)

Fremdlingschaft, das ist unsere Existenz als Christen. Und das prägt unseren Umgang mit Menschen aus anderen Nationen. „Jeder ist Ausländer - fast überall.“ Und: Wir sind AusländerInnen, vor Gott und in dieser Welt, jedenfalls nach biblischem Befund.

Stimmt der biblische Befund denn überein mit uns und unserem tatsächlichen Leben?

Leben wir in unserem Alltag wirklich mit dieser Haltung des Unterwegsseins und Fremdseins? Ein Unterschied zwischen Einheimischen und Ausländern wird deutlich an der Beweglichkeit. Wie beweglich sind wir, wenn wir wirklich Ausländer Gottes sind? Haben wir uns nicht in vielen Dingen selbstverständlich eingerichtet? Sind wir nicht immobil geworden? Was ist denn die Konsequenz dieser Erkenntnis und Haltung? Eine Konsequenz: Als Christen wenden wir uns gegen jede Art von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus und wollen denjenigen beistehen, die ausgegrenzt werden. Die Stadt Gottes kennt keine Fremden! (...)

Da gibt es am Ende des Lukasevangeliums eine wunderbare Geschichte von zwei Männern, die spazieren gehen und einen Fremden treffen, der offensichtlich keine Ahnung hat von all den Geschichten, die da gerade passiert sind in der Stadt. Und sie laden ihn ein. Und sie essen mit ihm. Und siehe da, erst hinterher merken sie: Es war der Herr Jesus. „Ich bin ein Fremdling gewesen und ihr habt mich aufgenommen" (Matthäus 25,26).

Im Fremden, dem wir begegnen, begegnen wir Jesus Christus, an den wir glauben. Das ist Konsequenz des Glaubens für uns:
Glauben heißt: Christus mit Worten zu nennen, aber auch ihn mit dem Leben bekennen. Glauben heißt lieben, hoffen, trösten. Glauben heißt handeln, wo andere sich scheuen.

Ihr lieben Ausländerinnen, ihr lieben Fremdlinge - wir alle sind Wanderer auf dieser Erde, unterwegs zur Heimat im Himmel, zu den Wohnungen, die Jesus für uns vorbereitet. Wir gehören zum wandernden Gottesvolk, das das gelobte Land erst noch einnehmen soll. Wir sind – um einen uralte Bezeichnung für ChristInnen zu verwenden – Menschen, die ‚des Weges‘ sind. Wir sind unterwegs auf einer Reise, die nicht immer bequem ist.

Aber auch unterwegs ereignet sich zeichenhaft immer wieder etwas vom Neuen, vom Reich Gottes, in dem wir Heimatrecht haben. Da, wo Menschen sich vergessen, sich verschenken, sich verbünden, Hass überwinden und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde, dass Friede werde unter uns. Wir sind aufgerufen, eine Gemeinschaft ohne Ausgrenzung zu leben.

Wie schön, dass wir heute Abendmahl feiern im Bewusstsein, dass die Stadt Gottes, dass die Gemeinde keine Fremden kennt, weil Christus unser Friede ist. AMEN

Friedbert Neese ist Pastor des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten) in Deutschland



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