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Demonstration der Libyenkriegsflüchtlinge in der Hamburger Innenstadt: „Wir ha-ben nicht den NATO-Krieg in Libyen überlebt, um auf Hamburgs Straßen zu sterben!“

Vier der Sprecher von „Lampedusa in Hamburg“ bei der Besprechung einer öffentlichen Aktion

von Manuel Beyer / Juni 2013

Tag um Tag kämpfen aktuell 300 afrikanische Flüchtlinge auf den Straßen Hamburgs um ihr (Über-) Leben. Sie haben den Krieg in Libyen gegen Gaddafi überlebt und sind über Italien in Deutschland gestrandet.

Mitte April wurden die Libyen-Kriegsflüchtlinge nach dem Ende des Winternotprogramms für Obdachlose auf die Straße gesetzt. Sie haben es bisher geschafft, als Gruppe zusammenzubleiben. Durch das „Flüchtlingsschiff“ beim Kirchentag, das sie als erste Plattform für ihren Protest nutzten, lernten wir sie kennen. Der Staat Hamburg will ihnen bis heute nicht aus ihrer Notlage helfen, son-dern sie so schnell wie möglich registrieren und abschieben.

Wir möchten ihnen hier eine Stimme geben und drucken einen ins Deutsche übersetzten offenen Brief der Flüchtlinge an die Hamburger Bürgerschaft und ihren Bürgermeister ab: „Wir sind die Opfer des Kriegs in Libyen und Opfer der europäischen Flüchtlingspolitik. 2011, als die NATO mit den Bombardierungen in Libyen begann, war unser Leben dort zu Ende. Wir verloren alles, was wir uns aufgebaut hatten, wurden an die Mittelmeerküste gebracht, in Boote gesetzt und aufs Meer geschickt. In Italien lebten wir fast zwei Jahre in Flüchtlingslagern, bis die italienische Regierung Anfang dieses Jahres alle Lager schloss und uns aufforderte, das Land in Richtung Nordeuropa zu verlassen. Es wurde uns zwar ein Aufenthaltstitel gemäß des huma-nitären Schutzes erteilt, gleichzeitig werden uns die daraus hervorgehenden Rechte aber verwehrt. Italien ist nicht in der Lage, den verbrieften Schutz umzusetzen, und die anderen Länder der Europäischen Union sind nicht Willens dies zu tun.

Heute sitzen wir auf der Straße in den Ländern, die im Namen der Menschenrechte Kriege führen. Es war nicht unser Wille, nach Europa zu kommen, wir wurden dazu gezwungen. Wir alle haben in Libyen auf dem afrikanischen Kontinent gearbeitet und mit unserem Einkommen für unsere Familien und unsere Gemeinden gesorgt. Der Krieg der NATO hat alles auf den Kopf gestellt. Viele sind gestorben in Libyen und im Mittelmeer. Wir Überlebenden in Europa haben keine Wahl mehr. Wir sind jetzt hier, und wir werden bleiben. Kein europäisches Land kann sich der Verantwortung entziehen. Wir bleiben nicht Spielball der europäischen Politik. Wir verlangen die volle Anerkennung der Fakten und damit die volle Aner-kennung unserer Rechte.

Jedoch erfahren wir bisher, dass kein Wille besteht, eine Lö-sung zu finden. Im Gegenteil, es wird versucht, uns unsichtbar zu machen, uns zu vereinzeln und uns der Verelendung zu überlassen.

Es wird jedem verständlich sein, dass wir das nicht stillschweigend ertragen können.

In Hamburg sieht unsere Situation so aus, dass wir jetzt (Anm. der Redaktion: 15.5.) seit genau vier Wochen auf der Straße leben, ohne Rechte auf Zugang zu medizinischer Versorgung oder zum Arbeitsmarkt, ohne Zugang zu Bildungsmöglichkeiten und ohne jegliche materielle Basis. Unsere physische und psychische Integrität verschlechtert sich von Tag zu Tag. (…) Uns wurde gesagt, dass das einzi-ge, was wir bekommen würden, eine Fahrkarte zurück nach Italien sei. Wir glauben, dass die soziale und ökonomische Lage in Italien wie auch in anderen südeuropäischen Län-dern hinlänglich bekannt ist und dass es dort keine Existenzmöglichkeit mehr für uns gibt. Wenn es die gäbe, wären wir nicht hier. (…)

Hamburg ist eine sehr reiche Stadt, dieser Reichtum ist nicht zuletzt unserem Kontinent entnommen. Wir kommen nicht als Bittsteller, sondern im vollen Bewusstsein über die Zusammenhänge, die uns gegen unseren Willen hierher geführt haben. Niemand kann sich der Verantwortung entzie-hen und uns einfach ignorieren. Die Probleme müssen gelöst werden und unsere Rechte anerkannt werden. Der erste Schritt und unsere erste Forderung an die politischen Vertreter dieser Stadt ist ein Dach über unseren Köpfen. Daran schließt sich der Zugang zum Arbeitsmarkt an, damit wir uns versorgen können. Der Zugang zu medizinischer Versorgung und zu Bildung sollte ebenfalls selbstverständlich sein. Wir haben den Krieg in Libyen nicht überlebt, um jetzt auf der Straße zu sterben. Wir appellieren eindringlich an alle Parteien und Institutionen, umgehend in direkten Kontakt mit uns zu treten und Lösungen zu finden. Unsere Obdachlosigkeit lässt keinen Aufschub zu.“

Sie nennen sich „Lampedusa in Hamburg“ und sie haben es ins öffentliche Bewusstsein geschafft: das Hamburger A-bendblatt, ARD, ZDF, RTL, SAT1, Zeit, Spiegel, Stern, taz, und viele weitere Medien berichten inzwischen regelmäßig. Christlich und politisch motivierte Menschen aus verschiedenen Gruppen versuchen sie dabei zu unterstützen: mit Es-sen und Notübernachtungen für jeden Tag neu, mit medizinischer Hilfe, mit einer Internetseite (www.lampedusa-in-hamburg.org), mit Öffentlichkeitsarbeit und bei vielen alltäglichen Problemen. Mittlerweile bieten einige Kirchengemeinden und Moscheen Schlafplätze in ihren Gebetsräumen, Essensausgaben und Waschmöglichkeiten an. Das alles geschieht mit Spenden: Menschen bringen Kleidung, Shampoo, Wasser oder Lebensmittel vorbei. Eine Apotheke liefert den Strom für ein Infozelt am Hauptbahnhof. Die Solidarität aus der Bevölkerung spricht eine andere Sprache als die der Regierung! Wir von Brot & Rosen sind auch dabei und un-terstützen durch Mitarbeit im Solidaritätsnetzwerk. Drei der Männer leben bei uns im Haus.

Inzwischen positioniert sich die Nordkirche auch grundsätzlich gegen diese Politik des Staates Hamburg und der Europäischen Union. Die Bischöfin von Hamburg, Kirsten Fehrs, stellt fest: „Die Flüchtlinge aus Libyen sind zum Spielball einer restriktiven europäischen Flüchtlingspolitik geworden, der es in erster Linie um Abwehr nicht um Schutz geht. (…) Wir fordern effektiven Flüchtlingsschutz und (…) Möglichkeiten der legalen Einwanderung. Wir brauchen faire und effektive Asylverfahren.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

 



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