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Kleine biblische Theologie der offenen Grenze

Hamburg-Bahrenfeld: Container, direkt bei der Autobahn, dicht aneinander gestellt und aufeinander gestapelt: Flüchtlingsunterbringung in einer der reichsten Städte Europas. Hier wohnen ca. 1.500 Männer, Frauen und Kinder. Eine regelmäßige Busanbindung? Fehlanzeige!

von Thomas Nauerth / März 2015

Bei einer gemeinsamen Tagung des Internationalen Versöhnungsbunds mit dem Netzwerk Church & Peace und dem Deutschen Mennonitischen Friedenskomitee zu „Friedenszeugnis und Asyl“ im November 2014 in Karlsruhe trug Thomas Nauerth folgende Gedanken vor.

„Dem HERRN gehört die Erde“ (Psalm 24,1). Es gibt keine Herren auf der Erde, nur Gäste (vgl. 3. Buch Mose, 25,23). Wir sind nur Gast auf Erden (vgl. Psalm 119,19) und haben uns auch so zu benehmen, achtsam im Umgang mit den Dingen der Schöpfung und gastfrei gegen jedermann. Die biblische Welt ist eine Welt der Gastfreundschaft. „Die Gastfreundschaft vergesst nicht“ (Brief an die Hebräer 13,2) Nicht nur, weil manchmal Engel kommen, auch wenn der HERR selbst kommt, kommt er als Fremder, der Gastfreundschaft braucht und sucht.

Asyl ist selbstverständlicher Teil einer Welt der Gastfreundschaft. Die Realität der erzählten biblischen Welt zeigt, ohne Einreise und Ausreise, ohne Flucht- und Asylmöglichkeiten geht es nicht. Unvorstellbar, Abraham wäre wegen Visumsschwierigkeiten nie nach Kanaan gekommen, Jakobs Söhne hätten Ägypten nicht erreichen können und Josef und Maria wären aus Ägypten abgeschoben worden samt ihrem kleinen Sohn.

Kein Wunder also, dass in der Bibel der Grundsatz gilt: „Die Fremdlinge sollst du nicht bedrängen und bedrücken“ (2. Mose 20,20; vgl. 5. Mose 24,17-18; Jeremia 22,3). Genauso logisch wie dieser Satz ist seine Begründung: „denn ihr seid auch Fremdlinge in Ägyptenland gewesen“ (vgl. 2. Mose 23,9). Der lockere Spruch: „Jeder ist ein Fremder und Ausländer, fast überall“, ist biblische Weisheit. Daher gilt: „Verflucht sei, wer das Recht des Fremdlings, der Waise und der Witwe beugt! Und alles Volk soll sagen: Amen.“(5. Mose 27,19) Gesegnet aber der, der die Fremdlinge liebt (vgl. 5. Mose 10,19).

Die Logik biblischer Schöpfungsordnung scheint zu sein, dass es eine Welt geben soll, in der viele Völker in unterschiedlichen Gesellschaften, Königreichen, Staaten miteinander in Austausch stehen. Auch im Austausch von Personen. Offene Grenzen machen in solch einer Welt unmittelbar Sinn als notwendiges Ventil, um innerstaatliche Konflikte, um Wirtschafts- oder Naturkatastrophen abzumildern (vgl. nur die Rutherzählung!). Die Bibel hat eine geschwisterliche Welt vor Augen, wenn sie erzählt, dass alle Völker auf drei Söhne eines einzigen Mannes (Noah) zurückgehen (vgl. 1. Mose 9,18-10,32).

Offene, zumindest relativ offene Grenzen verursachen grundsätzlich ja auch kein Problem. Denn fremde Sprache, fremde Sitten und natürliche Heimatverbundenheit, auch die sozialen und vor allem familiären Einbindungen von Menschen sorgen dafür, dass es nicht zu Massenbewegungen kommen kann – und dass es zu Rückkehrbewegungen kommen wird, wenn die Verhältnisse sich normalisiert haben: „Und als die Judäer, die im Lande Moab und Ammon und in Edom und in allen Ländern waren, hörten, dass der König von Babel einen Rest in Juda übrig gelassen und über sie Gedalja gesetzt hatte, den Sohn Ahikams, des Sohnes Schafans, da kamen auch sie alle zurück aus allen Orten, wohin sie verstreut waren, in das Land Juda zu Gedalja nach Mizpa und ernteten sehr viel Wein und Sommerfrüchte“ (Jeremia 40,11-12).

Auch Naomi kehrt in der Rutherzählung zurück nach Bethlehem, und Maria und Josef kehren zurück aus Ägypten. Man geht, wenn man muss; man kommt, wenn man kann. All diese einfachen Überlegungen zeigen, wo unser Problem eigentlich liegt. Nicht die Idee offener Grenzen ist unser Problem, nicht Einwanderungsfluten, die unser armes staatliches Boot zum Kentern bringen, auch Asyl- und Flüchtlingsrecht sind nicht unser eigentliches Problem. Von einer biblischen Perspektive aus sind all das nur Symptome eines einzigen wirklich gravierenden zentralen Problems: Das Problem des globalen Wohlstandsgefälles. Das war in Gottes guter Schöpfung so nicht vorgesehen. Das kommt auch in der biblischen Welt so nicht vor. Unser Wohlstand, unser Lebensstandard gründet auf Abschottung. Man kann auch vom notwendigen Mord an den Grenzen sprechen.

In einer solchen Situation sich an die biblischen Texte zu wenden, ist eine gefährliche Sache. Wir werden keine einfache Lösung finden, nur Beunruhigung. Sich in die biblischen Erzählungen zu vertiefen, wird zur gefährlichen Erinnerung. Sich den biblischen Erzählungen, sich den biblischen Weisungen auszusetzen, macht unruhig. Und ratlos.

Es führt zur politischen Fundamentalkritik:

Gleiches Gesetz und gleiches Recht gilt für euch und für die Fremden, die bei euch leben (4. Mose 15,16; vgl. auch 3. Mose 24,22 und 5. Mose 24,17).
• Wenn du deinen Weinberg abgelesen hast, so sollst du nicht nachlesen; es soll dem Fremdling, der Waise und der Witwe zufallen. (5. Mose 24,21).
• Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der HERR, euer Gott (3. Mose 19,33-34).



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