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Ich bin ein Fehler

Zeichnung: Karrar E.

Das Gefängnis, im dem Karrar ein Jahr lang eingesperrt war.

von Karrar Espanol / August 2023

Karrar musste nach seiner Flucht aus dem Irak über Belarus in die EU ein Jahr in einem Grenzgefängnis in Litauen verbringen. Gemeinsam mit anderen Künstler*innen machte er dort auf sich und seine Situation aufmerksam. Von Amnesty International wurde eine Kampagne für die Inhaftierten gestartet, die zu ihrer Freilassung beitrug. In Polen wurde 2022 eine gemeinsame Kunstausstellung veranstaltet. Jetzt muss Karrar die Abschiebung nach Litauen befürchten und ist im Kirchenasyl des Kirchenkreises Hamburg-Ost, um ihm ein faires Asylverfahren in Deutschland zu ermöglichen.

Ich bin ein Fehler. Ich bin gegen meinen Willen ins Leben gekommen. Vor meiner Geburt waren meine Brüder dagegen, noch einen Bruder zu haben. Ich wurde in einer Zeit geboren, in der der Irak von Armut und wirtschaftlicher Blockade betroffen war. Sie baten meine Mutter, mich fallen zu lassen als ich noch im Mutterleib war. Meine Jugend fiel in die Zeit der amerikanischen Besatzung im Irak. Ich sah jeden Tag schwere Waffen, Panzer und Militärflugzeuge – der Tod folgte mir jedes Mal, wenn ich vor ihm floh.

Eines Tages explodierte eine Bombe auf meinen Vater und meinen Bruder, als sie auf dem Weg zur Arbeit waren. Sie verbrannten. Ich lebte jeden Tag wie ein Toter. In jeder Minute, die ich verlebte, hörte ich die Stimme der Märtyrer*innen und die Stimme der Menschen, die starben. Jeden Tag. Ich plante ein humanitäres Projekt aufzubauen, das auf Liebe, Gleichheit, Meinungsfreiheit und der Akzeptanz von Unterschieden gründete.

Ich hatte zuvor gelesen, dass es Europa war, das diese Revolution, dass die Menschen frei geboren werden und frei leben, begonnen hatte. Also beschloss ich, mein Land zu verlassen. Ich kündigte meinen Job. Ich verlor meine Freunde. Ich nahm meine Ambitionen und Träume mit und bin dem Tod entkommen. Als ich ankam, hoffte ich, dass alle meine Träume wahr werden würden: Ich werde frei leben. Ich werde so leben, wie ich leben will...

Aber sie steckten mich einfach in ein Gefängnis für eine lange, lange Zeit. Ich war wie eine Schildkröte. Jede Sekunde, die vergeht, spüre ich den langsamen Tod. Wenn sich eine (Gefängnis-)Tür schließt, fühlt es sich an, als ob jemand den Sauerstoff abstellt. Ich kann nicht atmen. Als sie mir das Papier mit der Ablehnung des Asylantrags hier in Europa gaben, wurde mir klar, dass der Tod in Wirklichkeit nicht der Tod des Körpers ist, sondern der Tod der Freiheit, die wir in uns gepflanzt hatten. Ein Mensch ohne Freiheit lebt wie ein lebender Toter. Die Freiheit ist der Puls des Lebens. Die Freiheit ist die innere Seele des Menschen. Wenn du einen Menschen töten willst, töte nicht seinen Körper. Töte seine Freiheit.

Jetzt bin ich frustriert, denn ich habe nach einer Illusion gesucht. Ich wurde ausgetrickst. Ich suchte nach einer Lüge, an die ich glaubte. Am Ende wünschte ich, meine Mutter hätte die Worte meiner Brüder gehört und mich nicht geboren… - hinein in dieses falsche und trügerische Leben, eingekreist / umgeben von Rassismus. ■

(Text von 2022, übersetzt aus dem Englischen von Dietrich Gerstner)



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